Zinsforderung als verdeckte Einlage
Hintergrund: Verzicht auf Kompensationszahlungen
Streitig war, ob die Konzernmutter an ihre Tochtergesellschaft Wirtschaftsgüter verdeckt eingelegt hat.
A ist die Konzernmutter des A-Konzerns. Sie war zu 100 % an der AB GmbH beteiligt. Die Geschäftstätigkeit der GmbH wurde zum 31.12.2009 eingestellt. Sie verfügte über erhebliche Verlustvorträge, während die A erhebliche operative Gewinne erzielte.
Um die Verluste der GmbH "nutzbar" zu machen, schloss die A zunächst mit der G-Bank Wertpapierpensionsgeschäfte und sodann über dieselben Wertpapiere mit der GmbH Wertpapierdarlehensgeschäfte ab.
Im Einzelnen: G übertrug festverzinsliche Wertpapiere aufgrund eines Wertpapierpensionsgeschäfts auf A. Da die Zinsen G zustehen sollten, hatte A entsprechende Kompensationszahlungen an G erbracht und diese erfolgswirksam erfasst. Anschließend übertrug A die Wertpapiere aufgrund eines Wertpapierdarlehensgeschäfts auf die GmbH. Die Zinsen sollten A zustehen, der die GmbH Kompensation leisten sollte. Nachfolgend übertrug die GmbH die Wertpapiere aufgrund eines Pensionsgeschäfts auf A. Die Zinsen sollten der GmbH zustehen, sodass diese keinerlei Kompensation an die A zu leisten hatte.
Das FA ging davon aus, die A habe aufgrund der unentgeltlichen Wertpapierdarlehensgeschäfte mit der GmbH dieser Vermögensgegenstände aufgrund gesellschaftsrechtlicher Veranlassung zugewendet. Daher lägen verdeckte Einlagen vor. Wirtschaftlich habe die A der GmbH Zinsen für ein volles Jahr zugewendet, obwohl die Laufzeiten der Wertpapierdarlehen nur wenige Wochen betragen hätten.
Das FG folgte dieser Auffassung und wies die Klage als unbegründet ab.
Entscheidung: verdeckte Einlage
Der BFH folgt der Auffassung des FG. Die A hat einen Anspruch auf bereits aufgelaufene Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren unter Verzicht auf eine Gegenleistung (in Form von Kompensationszahlungen) verdeckt in die GmbH eingelegt.
Kein Betriebsausgabenabzug bei verdeckter Einlage
Nach § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG erhöhen sich die bei der Muttergesellschaft (A) zu erfassenden Anschaffungskosten der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft (GmbH) im Fall der Übertragung eines Wirtschaftsguts im Wege der verdeckten Einlage in die Beteiligungsgesellschaft um den Teilwert des eingelegten Wirtschaftsguts. Ein Abzug der entsprechenden Zuwendung als Betriebsausgabe beim zuwendenden Gesellschafter (hier A) scheidet danach aus.
Begriff der verdeckten Einlage
Unter einer verdeckten Einlage ist die Zuwendung eines bilanzierbaren Vermögensvorteils aus durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Gründen ohne Entgelt in Gestalt von Gesellschaftsrechten zu verstehen (BFH v. 9.6.1997, GrS 1/94, BStBl II 1998 S. 307). Bei der Kapitalgesellschaft muss insoweit eine Vermögensmehrung durch die Entstehung bzw. Erhöhung eines Aktivpostens oder den Wegfall bzw. die Verminderung eines Passivpostens eintreten. Unentgeltliche oder verbilligte Dienstleistungen, Nutzungs- oder Gebrauchsüberlassungen oder entsprechende (Nutzungs-)Rechte sind deshalb keine verdeckten Einlagen (BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl II 1988 S. 348). Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt vor, wenn ein fremder Dritter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns das Wirtschaftsgut zu den fraglichen Bedingungen nicht zugewendet hätte (Fremdvergleich; BFH v. 19.10.2005, I R 40/04, BFH/NV 2006 S. 822).
Zuwendung des Anspruchs auf aufgelaufene Zinsen
Nach diesen Grundsätzen stellt sich die durch die A an die GmbH unter Verzicht auf Kompensationszahlungen vorgenommene Zuwendung eines Anspruchs auf die im Einlagezeitpunkt bereits aufgelaufenen Zinsen aus den festverzinslichen Wertpapieren als verdeckte Einlage dar. Die A hat der GmbH nicht lediglich die Nutzung der darlehensweise überlassenen Wertpapiere ermöglicht. Denn Gegenstand der Übertragung waren im Streitfall nicht künftige Nutzungsvorteile, sondern "aufgelaufene", zivilrechtlich bereits entstandene Zinsansprüche der A gegen die Emittenten der Wertpapiere. Diese Zinsansprüche sind unabhängig von ihrer Fälligkeit zu bilanzieren, soweit sie für einen Zeitraum geschuldet werden, der vor dem Bilanzstichtag liegt (BFH v. 18.12.2002, I R 11/02, BStBl II 2003 S. 400). Entscheidend ist die Bilanzierungsfähigkeit des zugewendeten Vermögensvorteils im Zeitpunkt der Zuwendung. Zu diesem Zeitpunkt lag im Streitfall bereits ein kommerzialisierbarer Zinsanspruch vor, der als solcher einlagefähig ist.
Fehlende Gegenleistung
Da die GmbH nicht zu Gegenleistungen verpflichtet war, wendete die A ihr den Vermögensvorteil in Form bereits aufgelaufener Zinsansprüche ohne wertadäquate Gegenleistung zu. Der Verzicht der A auf die Vereinbarung von Gegenleistungen in Form von Kompensationszahlungen war durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, da der GmbH auf diese Weise ermöglicht werden sollte, ihre Verlustvorträge steuerlich zu nutzen. Die in den Rahmenverträgen vorgesehene (übliche) Ausgleichsstruktur wurde in den Einzelabschlüssen zu Lasten der A modifiziert.
Hinweis: Präzisierung des Einlagebegriffs
Der BFH verweist ergänzend auf das aktuelle Urteil zur Eigenschaft von Kryptowährungen als Wirtschaftsgut (BFH v. 14.2.2023, IX R 3/22, BFH/PR 2023 S. 600, Rz. 24). Der "Vorteil" für den Betrieb, der für ein Wirtschaftsgut erforderlich ist, wird nicht durch die Rechtsposition selbst (oder dem ihr innewohnenden "Nutzen") definiert, sondern bestimmt sich durch den Geschäftsverkehr bzw. die konkrete Marktsituation, die dieser Position eine vermögensmäßige Relevanz – im Sinne einer Chance oder Möglichkeit – beimisst, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt.
BFH Urteil vom 15.03.2023 - I R 24/20 (veröffentlicht am 09.06.2023)
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