Kein Berufsausbildungsbeginn wegen Erkrankung: Ein Kind unter 25 Jahren, das wegen einer Erkrankung keine Berufsausbildung beginnen kann, ist nur dann als ausbildungsplatzsuchendes Kind nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen, wenn das Ende der Erkrankung absehbar ist. Ist dies nicht der Fall, reicht der Wille des Kindes, sich nach dem Ende der Erkrankung um einen Ausbildungsplatz zu bemühen, nicht aus.
Beraterhinweis In solchen Fällen ist zu prüfen, ob eine Berücksichtigung als behindertes Kind nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG möglich ist.
Maßgeblicher Behinderungsbegriff: Für die Beurteilung des Merkmals "Behinderung" i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG ist die in § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX enthaltene Legaldefinition in der im jeweiligen Streitzeitraum geltenden Fassung maßgeblich. Der Behinderungsbegriff des § 2 Abs. 1 SGB IX i.d.F. bis 31.12.2017 setzte
- eine für das Lebensalter untypische gesundheitliche Situation voraus,
- die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert und
- kausal zu einer Teilhabebeeinträchtigung führt.
Alle drei Tatbestandsmerkmale des Behinderungsbegriffes müssen vor Vollendung der in § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Halbs. 2 EStG geregelten Altersgrenze eingetreten sein und zusätzlich auch während des Zeitraums bestehen, für den der Kindergeldanspruch geltend gemacht wird. Beachten Sie: Dagegen erfüllt eine drohende Behinderung nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG.
Vorliegen eines Gendefektes: Liegt bei einem Kind ein Gendefekt vor, der vor Erreichen der Altersgrenze des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Halbs. 2 EStG zu keiner mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauernden Funktionsstörung und/oder zu keiner darauf beruhenden Teilhabebeeinträchtigung geführt hat, scheidet ein auf die Behinderung gestützter Kindergeldanspruch aus.
Unfähigkeit zum Selbstunterhalt und fiktive Kindergeldkürzung: Für die Frage, ob ein volljähriges behindertes Kind i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG unfähig ist, sich selbst zu unterhalten, sind die dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel auch dann nicht um das (fiktive) Kindergeld zu kürzen, wenn das Kindergeld im Falle seiner Festsetzung an das Kind weitergeleitet werden würde und ohne die Weiterleitung die Voraussetzungen einer Abzweigung des Kindergelds an das Kind vorlägen. Die Nachrangigkeit der Sozialhilfe gegenüber anderen Sozialleistungen bewirkt für sich noch nicht, dass die Sozialhilfe insoweit bei den kindeseigenen Bezügen nicht berücksichtigt werden darf. Beachten Sie: Nur soweit der Sozialleistungsträger die Eltern in Regress nimmt, kommt eine Minderung der Bezüge in Betracht.