Das Wesen einer künstlerischen Tätigkeit liegt in der freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Die Rechtsprechung verlangt eine eigenschöpferische Tätigkeit mit einer gewissen Gestaltungshöhe, d. h. eine Leistung, in der die individuelle Anschauungsweise und die besondere Gestaltungskraft des Steuerpflichtigen zum Ausdruck kommen.
Der BFH differenziert zwischen Kunsthandwerk/Kunstgewerbe einerseits und den freien Künsten andererseits. Unter Kunsthandwerk/Kunstgewerbe wird eine Gruppe von Berufen verstanden, deren Arbeitsergebnisse einen praktischen Gebrauchszweck haben (z. B. Gebrauchs-, Modegrafiker, Modezeichner oder Werbefotografen); dabei ist bei dieser Gruppe aufgrund besonderer Sachkunde von Fall zu Fall festzustellen, ob eine eigenschöpferische Leistung vorliegt. Dagegen wird bei den freien Künsten auf die gewisse künstlerische Gestaltungshöhe verzichtet, wenn den Werken nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen nicht abgesprochen werden kann.
Einholung eines Sachverständigengutachtens
Die Entscheidung über das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erfordert nach der Rechtsprechung des BFH vor allem im Bereich der Grenz- und Übergangsfälle besondere Sachkunde. Die Unsicherheit bei der Abgrenzung kann in Zweifelsfällen nur durch Einholung eines Gutachtens behoben werden. Das FG muss in Streitfällen einen Gutachter heranziehen, wenn es nicht (ausnahmsweise) über die erforderliche Sachkunde verfügt.
Holt das Gericht in Grenz- und Übergangsfällen kein Sachverständigengutachten ein, muss dies für die Verfahrensbeteiligten erkennbar sein; die besondere Sachkunde des Gerichts muss dann in den Urteilsgründen nachprüfbar dargelegt werden. Der Steuerpflichtige kann das Unterlassen aber nur erfolgversprechend rügen, wenn er spätestens die Gutachterbestellung in der mündlichen Verhandlung vor dem FG beantragt.
Unproblematisch ist die Zuordnung meist bei sog. "zweckfreier Kunst". Bei der Ausübung von "zweckfreier Kunst" durch Maler, Musiker und Komponisten wird regelmäßig von dem Erfordernis der ausreichenden Gestaltungshöhe abgesehen und auf die Einholung von Gutachten verzichtet.
Anders sind berufliche Tätigkeiten zu beurteilen, deren Ergebnisse auch einen praktischen Nutzen haben (sog. "Gebrauchskunst"), wie z. B. die Tätigkeit eines Restaurators, Modezeichners, Fotografen, Gebrauchsgrafikers usw. In solchen Fällen ist zur Annahme einer künstlerischen Tätigkeit erforderlich, dass bei den Ergebnissen der Arbeit das künstlerische Element vorherrscht. Um dies festzustellen, ist regelmäßig ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Trauerredner
Die Tätigkeit eines Trauerredners ist nicht freiberuflich (künstlerisch), sondern gewerblich, wenn der Redner in der Masse der Fälle nach Redeschablonen verfährt. In einem zu § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ergangenen Urteil hielt der BFH es für denkbar, dass ein studierter Theologe bei seiner Tätigkeit als Redner bei besonderen Ereignissen (z. B. Hochzeiten, Trauerfällen) künstlerische Leistungen mit schöpferischer Gestaltungshöhe erbringt. Die Umsätze eines Tauf-, Trauer- und Hochzeitredners unterliegen dagegen nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. Nr. 7 Buchst. a UStG, wenn die vorgelegten Texte bezogen auf den jeweiligen Anlass nach gleichem Muster aufgebaut sind, teilweise wörtliche Übereinstimmungen aufweisen und der individuelle Bezug sich lediglich aus den dem Redner mitgeteilten Informationen über den Verstorbenen, das Brautpaar oder den Täufling und seine Eltern ergibt.
Werden aus einer künstlerischen Tätigkeit während eines längeren Zeitraums nur Verluste erzielt, kann dies ein Indiz dafür sein, dass dem Steuerpflichtigen die Gewinnerzielungsabsicht fehlt. Seine Tätigkeit kann dann als eine – steuerlich nicht relevante – Liebhaberei anzusehen sein.
Bei der Prüfung, ob eine Liebhaberei vorliegt, muss allerdings berücksichtigt werden, dass ein Künstler positive Einkünfte vielfach erst nach einer längeren Anlaufphase erzielen kann. Deshalb können z. B. die von einem Kunstmaler erzielten Verluste trotz einer bereits 10-jährigen Verlustphase anerkannt werden. Ähnlich liegt es bei einem bildenden Künstler.