Dr. Birger Brandt, Prof. Jürgen Brandt
Leitsatz
Schuldzinsen, die gezahlt werden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Finanzierung einer als Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) abziehbaren privaten Versorgungsrente, sind nicht ihrerseits als dauernde Last abziehbar.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG
Sachverhalt
Der Kläger erbrachte gegenüber seinem Vater Versorgungsleistungen, die im Zusammenhang mit der Übertragung eines Gesellschaftsanteils an der – Vermietungseinkünfte erzielenden – H-GbR vereinbart worden waren. Die Aufwendungen zur Finanzierung der Versorgungsleistungen erkannte das FA nach einer Außenprüfung nicht mehr als dauernde Last an. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH kann die Abziehbarkeit der Fremdfinanzierungskosten für die Versorgungsleistungen entgegen der Auffassung des Klägers nicht mit dem Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG ("Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen ...") begründet werden, weil § 10 Abs. 1 EStG keine allgemeine Begriffsbestimmung der Sonderausgaben mit einer "Öffnungsklausel" in Gestalt eines Veranlassungszusammenhangs enthalte, wie er für Betriebsausgaben/Werbungskosten in § 4 Abs. 4 EStG bzw. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG normiert sei, sondern allenfalls aufgrund der besonderen Fassung der einzelnen Abzugstatbestände einen Schuldzinsenabzug ermögliche (z.B. hinsichtlich der "Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung" – § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG –, der Steuerberatungskosten – § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG, vgl. BFH, Urteil vom 12.7.1989, X R 35/86, BStBl II 1989, 967).
Auch der "Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit" erfordere nicht den Abzug der Zinsaufwendungen, weil der Gesetzgeber den Abzug privat veranlasster Schuldzinsen seit der Rechtsänderung im Jahr 1973 ausdrücklich ausgeschlossen habe und ein solcher Abzug auch im Hinblick auf Art. 3 GG nicht allein wegen des sachlichen Zusammenhangs der Zinsaufwendungen mit den als Sonderausgaben abziehbaren Versorgungsleistungen geboten sei.
Hinweis
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG als Sonderausgaben abziehbare Renten und dauernde Lasten betreffen nur Versorgungsleistungen, die als private Versorgungsrente vom Übernehmer eines Vermögens geleistet und – grundsätzlich – materiell-rechtlich korrespondierend vom Empfänger der Versorgungsbezüge als Einkünfte aus wiederkehrenden Leistungen der Steuer unterliegen. Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Lasten sind Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit einem Vermögensübergabevertrag vereinbart worden sind (sog. private Versorgungsrente, vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2000, IX R 13/97, BFH-PR 2001, 139). Die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den Sonderausgaben beruht auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise die Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5.7.1990, GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847).
2. Ohne einen solchen Vorbehalt der Vermögenserträge wäre die mit der Abziehbarkeit gegebene Ausnahme einerseits vom Abzugsverbot für Unterhaltsleistungen und freiwillige Zuwendungen bzw. Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nrn. 1 und 2 EStG) sowie andererseits von der Nichtsteuerbarkeit zugewendeter Bezüge (BFH, Beschluss vom 10.11.1999, X R 46/97, BStBl II 2000, 188) nicht zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.12.1992, 1 BvR 4/87, DStR 1993, 315: "Bedeutsamer Transfer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit").
3. Einen solchen Transfer hat der BFH im Streitfall schon deshalb verneint, weil die streitigen Zinsen zur Finanzierung der Versorgungsleistungen an Dritte gezahlt wurden. Dies entspricht der BFH-Rechtsprechung zur Nichtabziehbarkeit von Prozesskosten im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit um Sonderausgaben (Urteil vom 22.3.1957, VI 102/55 U, BStBl III 1957, 191) sowie zur Nichtabziehbarkeit von Fremdfinanzierungskosten im Zusammenhang mit dem Abzug von Beiträgen zu einer Lebensversicherung als Vorsorgeaufwendungen (Urteil vom 25.7.2000, VIII R 35/99, BFH-PR 2001, 5).
4. Nur ausnahmsweise lässt der BFH den Abzug von Dritten gegenüber getragenen Aufwendungen als dauernde Last zu, sofern die Aufwendungen – wie Grabpflegekosten – rechtstraditionell zu den für Altenteilsverträge typischen Versorgungsleistungen gehören (BFH, Urteile vom 4.4.1989, X R 14/85, BStBl II 1989, 779; vom 18.9.1991, XI R 10/85, BFH/NV 1992, 295; aA Tiedtke/Wälzholz, DStR 1999, 1794, 1798).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.11.2001, X R 120/98