Leitsatz
Wegen der Ausgabe von Gutscheinen, die einen Anspruch auf Preisermäßigung von Frisör-Dienstleistungen im Folgejahr gewähren, sind im Ausgabejahr weder Verbindlichkeiten noch Rückstellungen zu bilanzieren.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 EStG, § 76 Abs. 1, § 79, § 104 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO, § 249 Abs. 1 Satz 1, § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB
Sachverhalt
Eine Frisörsalon-Kette hatte an ihre Kunden, die im November und Dezember Frisör-Dienstleistungen in Anspruch genommen hatten, Gutscheine mit einem Wert von je 10 DM ausgegeben. Diese konnten bei einem Frisörbesuch im Januar und Februar des Folgejahrs eingelöst werden. Anhand der Rücklaufquote von Gutscheinen in einer Region (ca. 83 %) schätzte das Unternehmen zunächst den Betrag, in Höhe dessen im Folgejahr Gutscheine eingelöst wurden, und bildete dafür in voller Höhe eine Rückstellung zum Ende des Jahrs der Gutscheinausgabe. In späteren Jahren wurde eine Rückstellung in Höhe der gesamten ausgegebenen Gutscheine gebildet. Außerdem bildete das Unternehmen im dritten Jahr eine weitere Rückstellung, deren Veranlassung erst im Klageverfahren dahingehend erläutert wurde, dass sie das Risiko eines durch die Ausgabe der Gutscheine begangenen Wettbewerbsverstoßes betreffe.
Weder das FA noch FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.8.2009, 9 K 547/05, Haufe-Index 2278407) akzeptierten die Rückstellungen. In Bezug auf den Wettbewerbsverstoß wies das FG darauf hin, dass auch in der mündlichen Verhandlung Gründe für die Notwendigkeit der Rückstellung nicht dargelegt worden seien.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision zurück. Für die Gutscheine könne keine Rückstellung gebildet werden, weil bis zum Bilanzstichtag weder dem Grunde nach eine unbedingte Verpflichtung entstanden noch die dem Grunde nach ungewisse Verbindlichkeit in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht gewesen sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass eine Verbindlichkeit aufgrund eines Wettbewerbsverstoßes bestanden haben könnte.
Hinweis
1. Das Urteil beschäftigt sich über die aus dem Leitsatz ersichtliche Rückstellungsfrage (hierzu unter 2.) hinaus mit verfahrensrechtlichen Problemen, auf die nachstehend unter 3. kurz eingegangen wird.
2. Voraussetzung für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung ist das Bestehen einer dem Grunde nach gewissen, aber der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder aber einer auch dem Grunde nach noch ungewissen Verbindlichkeit. Jedenfalls im zweiten Fall muss die ungewisse Verbindlichkeit vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht sein.
a) |
Bei der Ausgabe von Gutscheinen, die nicht ohne Weiteres eingelöst und "zu Geld gemacht" werden können, sondern deren Verwertung einer weiteren Voraussetzung unterliegt, kann noch nicht von einer dem Grunde nach voll entstandenen Verbindlichkeit gesprochen werden. Die hier ausgegebenen Gutscheine hatten nur dann einen Wert, wenn der Kunde sich nach dem Bilanzstichtag eine entgeltliche Leistung erbringen ließ, um dann den Gutscheinbetrag auf die anfallende Vergütung anrechnen zu lassen. Die Verbindlichkeit stand also unter einer erst in der Zukunft von einem Dritten zu erfüllenden Bedingung. |
b) |
Die Gutscheine konnten deshalb nur dann zu einer Rückstellung führen, wenn die daraus folgende Zahlungspflicht vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht war. Für die Beantwortung dieser Frage lässt sich sowohl an die Leistung des Unternehmens bei Ausgabe des Gutscheins als auch an die Leistung bei Einlösung des Gutscheins anknüpfen. Der BFH entscheidet sich hier für die zweite Variante, weil die Anknüpfung an den ersten Umsatz vernachlässigen würde, dass jener zu einem vollen und auch nicht nachträglich minderbaren Entgelt geführt hat. Erst der Umsatz im neuen Jahr konnte das Unternehmen dadurch wirtschaftlich belasten, dass die Leistung ggf. gegen eine geminderte Gegenleistung erbracht werden musste. Deshalb sah der BFH einen Unterschied im Vergleich zu Rabattmarken oder gegen Barzahlung einlösbare "Gutmünzen", die von der Rechtsprechung als rückstellungsbegründend angesehen wurden. |
c) |
Weil eine Rückstellungsbildung dem Grunde nach abgelehnt wurde, kam es auf die Höhe der Rückstellung nicht an. Diese hätte anderenfalls näher geprüft werden müssen, denn die bloße Gewinnminderung durch Anrechnung des Gutscheinbetrags hätte noch nicht ausgereicht. Vielmehr wäre der Vorgang wohl als Sachleistungsverpflichtung anzusehen gewesen, bei der nur die nicht gedeckten Kosten, nicht aber die geschmälerte Gewinnspanne in die Bewertung der Rückstellung hätten eingehen können. |
3. Verfahrensrechtlich ging es bei dem Urteil darum, dass das FG eine Förmlichkeit nicht beachtet hatte. Ein nach mündlicher Verhandlung von dem Gericht beschlossenes Urteil muss nach § 104 Abs. 2 FGOinnerhalb einer Frist von zwei Wochen bei der Geschäftsstelle des Gerichts niedergelegt werden. Dies soll gewährleisten, dass die Richter den Urteilsspruch zeitnah und unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung formulieren. Die Abfassung der Urteilsgründe hat demgegenüber fünf Monate Ze...