Prof. Dr. Georg Schnitter
3.4.1 Allgemeines
Rz. 11
Nach der Definition in § 35a Abs. 2 S. 1 GewStG ist ein Reisegewerbebetrieb ein Gewerbebetrieb, wenn dessen Inhaber nach den Vorschriften der GewO und den Ausführungsbestimmungen dazu einer Reisegewerbekarte bedarf. Es handelt sich insoweit um eine dynamische Verweisung. Maßgebend sind jeweils die aktuellen Regelungen der GewO. Das Erfordernis der Reisegewerbekarte regelt § 55 GewO. Ausnahmen hiervon befinden sich in § 55a und § 55b GewO. Des Weiteren kann die zuständige Behörde nach § 55a Abs. 2 GewO für besondere Verkaufsveranstaltungen Ausnahmen von dem Erfordernis der Reisegewerbekarte zulassen.
Rz. 12
Die Finanzverwaltung stellt hinsichtlich des Erfordernisses der Reisegewerbekarte grundsätzlich darauf ab, ob der Stpfl. für den Ez oder einen Teil davon eine Reisegewerbekarte erworben hat. Für die gewerbesteuerliche Einordnung kommt es aber darauf nicht an. Maßgebend ist ausschließlich die Verpflichtung zum Besitz einer Reisegewerbekarte. Abzustellen ist auf das rechtliche Erfordernis, nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse. Unterbleibt die Ausgabe einer gewerberechtlich erforderlichen Reisegewerbekarte, liegt ein Reisegewerbebetrieb i. S. d. § 35a GewStG vor. Dagegen handelt es sich um einen stehenden Gewerbebetrieb, wenn der Inhaber des Gewerbebetriebs zwar eine Reisegewerbekarte besitzt, diese gewerberechtlich aber nicht erforderlich ist.
3.4.2 Voraussetzungen
Rz. 13
Nach § 55 Abs. 1 GewO betreibt ein Reisegewerbe mit dem Erfordernis einer Reisegewerbekarte, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche zu haben entweder Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht (vertreibt) oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht oder unterhaltende Tätigkeiten als Schausteller oder nach Schaustellerart ausübt. Voraussetzung für das Vorliegen eines Reisegewerbes ist, dass zum einen eine der in § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GewO aufgezählten Tätigkeiten vorliegt, wobei die Aufzählung in § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GewO abschließend ist. Zum anderen müssen bei beiden Alternativen auch die allgemeinen Voraussetzungen für ein Reisegewerbe vorliegen. Es muss sich also um eine Tätigkeit handeln, die gewerbsmäßig, ohne vorhergehende Bestellung und außerhalb oder ohne eine gewerbliche Niederlassung ausgeübt wird.
3.4.3 Gewerbsmäßigkeit
Rz. 14
Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig i. S. d. GewO ausgeübt, wenn es sich um eine nicht sozial unwertige, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit handelt. Nicht erfasst werden die Urproduktion, die freien Berufe und die bloße Nutzung und Verwaltung eigenen Vermögens. Auch Angestellte, die im Rahmen ihres Anstellungsverhältnisses ein Reisegewerbe betreiben, bedürfen keiner eigenen Reisegewerbekarte.
Rz. 15
Zum Reisegewerbe gehört insbesondere nicht die Urproduktion. Daher stellt z. B. weder der Verkauf selbst gefertigter Bilder noch die Aufführung eines Straßenmusikanten in einer Fußgängerzone ein Reisegewerbe dar. Gleiches gilt als Ausfluss der Urproduktion auch für den Verkauf von Produkten aus dem eigenen landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Betrieb.
3.4.4 Keine vorhergehende Bestellung
Rz. 16
Weitere Voraussetzung für das Vorliegen eines Reisegewerbes ist, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden bzw. dessen Besuch beim Kunden ohne vorhergehende Bestellung erfolgt. Der Gewerbetreibende muss initiativ werden. Er muss unangemeldet zum möglichen Kunden und nicht etwa der Kunde zu ihm kommen. Weder darf eine vorherige Terminvereinbarung noch ein entsprechender Kundenwunsch vorliegen. Vor diesem Hintergrund verneint z. B. das VGH Mannheim wegen gegebener vorhergehender Bestellung ein Reisegewerbe bei sog. Hauspartys, bei denen Privatpersonen in Absprache mit einem Vertriebsunternehmen Freunde und Bekannte einladen und ein Firmenvertreter Waren vorführt, die dann von den Eingeladenen gekauft bzw. bestellt werden können.
3.4.5 Außerhalb einer oder ohne eine Niederlassung
Rz. 17
Das Reisegewerbe muss außerhalb einer bestehenden gewerblichen Niederlassung oder ohne Bestehen einer gewerblichen Niederlassung ausgeübt werden. Der Begriff der gewerblichen Niederlassung ist in § 4 Abs. 3 GewO geregelt. Danach besteht eine gewerbliche Niederlassung, wenn eine selbstständige gewerbsmäßige Tätigkeit auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen Einrichtung von dieser aus tatsächlich ausgeübt wird. Keine gewerbliche Niederlassung stellt dagegen das Vorhalten einer Verkaufsfläche für eine unregelmäßige Inanspruchnahme dar. Nicht als außerhalb der gewerblichen Niederlassung erfolgend sind Aktivitäten unter Mitbenutzung eines Teils der öffentlichen Straße vor dem Geschäftslokal oder Telefonwerbemaßnahmen anzusehen
Rz. 18
Problematisch ist die Abgrenzung zwischen stehendem Gewerbe und Reise...