Prof. Dr. Georg Schnitter
Rz. 111
Im Rahmen einer Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe i. S. d. § 16 EStG gehört zum Veräußerungspreis alles, was der Veräußerer im Zusammenhang mit der Veräußerung bzw. Aufgabe des Betriebs erhält. Somit gehören auch Entschädigungen i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. a und b EStG, die anlässlich einer Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe gezahlt werden, grundsätzlich zum nicht der GewSt unterliegenden Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn nach § 16 EStG. Zum Gewinn i. S. d. § 7 S. 1 GewStG gehören dagegen Entschädigungen für einen entgangenen Gewinn, deren Ursache unmittelbar im Gewerbebetrieb liegt. Voraussetzung hierfür ist eine unmittelbare Sachbezogenheit der Entschädigung zu einem lebenden Betrieb. Bei der Entschädigung darf es sich aber nicht um eine steuerfreie Entschädigung oder eine den Gewerbetreibenden höchstpersönlich betreffende Entschädigung – z. B. infolge eines Unfalls – handeln. Letzteres gilt allerdings dann nicht, wenn der Gewerbetreibende das entsprechende Risiko selbst dem Betrieb – z. B. durch Abzug der Versicherungsbeiträge als Betriebsausgabe – zugeordnet hat. So sind z. B. Unfallentschädigungen, die ein Gewerbetreibender wegen Erwerbsminderung aus der Haftpflichtversicherung des Schädigers erhält, nicht Bestandteil des Gewinns i. S. d. § 7 S. 1 GewStG. Anders zu beurteilen sind dagegen Entschädigungen, die eine Versicherungsgesellschaft an den Gewerbetreibenden zur Abgeltung eines Unfallschadens zahlt, wenn der Gewerbetreibende sich selbst im Rahmen des Betriebs gegen eine erhöhte betriebliche Unfallgefahr versichert und die Versicherungsprämien als Betriebsausgaben behandelt hat. Die gewerbesteuerliche Erfassung von Entschädigungen im Fall einer unmittelbaren Sachbezogenheit zwischen Entschädigung und lebendem Betrieb steht mit dem Objektsteuercharakter der GewSt nicht in Widerspruch.
Rz. 112
Entschädigungen, die ein Haftpflichtversicherer dafür zahlt, dass ein Fuhrunternehmer seine unfallbeschädigten Fahrzeuge vorübergehend nicht einsetzen kann, gehören zum Gewinn i. S. d. § 7 S. 1 GewStG. Gleiches gilt für die Entschädigung für einen entgangenen Gewinn, die ein Gewerbetreibender wegen einer behördlich veranlassten Verlegung von Geschäftsräumen erhält, für eine Entschädigung wegen Kostensteigerungen eines geplanten Gebäudes infolge einer vom Entschädigenden zu vertretenden Verzögerung der Errichtung und für eine Entschädigung für die Stilllegung einer Mühle aufgrund des Mühlenstrukturgesetzes, sofern nicht mit der Stilllegung eine Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs einhergeht. Nicht zum Gewinn i. S. d. § 7 S. 1 GewStG zählen z. B. Entschädigungen für die vorzeitige Aufgabe eines gepachteten Hotels und Versicherungsleistungen für die Zerstörung von Betriebsanlagen, wenn sie zum Aufgabegewinn zählen.
Rz. 113
Nicht zum Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn i. S. d. § 16 EStG, sondern zum Gewinn i. S. d. § 7 S. 1 GewStG gehören bei Handelsvertretern die Ausgleichsansprüche und -zahlungen nach § 89b HGB. Dies gilt auch dann, wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs des Handelsvertreters zusammenfällt. Begründet wird dies damit, dass die Ausgleichszahlung auf einem zusätzlichen Vergütungsanspruch des Handelsvertreters für die von ihm vor Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende noch fortwirkenden Dienste beruht, der unmittelbar aus dem Handelsvertreterverhältnis folgt und keinen besonderen Willensentschluss voraussetzt, wie ihn die Aufgabe einer Tätigkeit oder eines Gewerbebetriebs erfordert. Dabei sind nicht nur die Einnahmen zu erfassen, sondern die Einkünfte, sodass auch Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der Ausgleichszahlung zu berücksichtigen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Ausgleichszahlungen an einen Warenvertreter oder an einen Versicherungsvertreter handelt. Ebenfalls nicht maßgebend ist, ob der Handelsvertreter seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach den §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG oder durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hat. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters unterliegt allerdings dann nicht der GewSt, wenn er seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt und mit Beendigung des Vertragsverhältnisses auch die werbende Tätigkeit aufgibt, ohne die wesentlichen Betriebsgrundlagen zu veräußern oder in sein Privatvermögen zu überführen und ohne gleichzeitig zur Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich überzugehen. In diesem Fall endet die GewSt-Pflicht bereits mit der tatsächlichen Einstellung des Betriebs. Dagegen unterliegt der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters als letzter laufender Geschäftsvorfall des Gewerbebetriebs der GewSt, wenn der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird und zwischen der Einstellung der werbenden Tätigkeit und der Betriebsaufgabe 3 Tage liegen und der Ausgleichsanspruch noch vor Beendigung der GewSt-Pflicht entstanden ist.
Rz. 114
Überträgt ein Handelsvertreter im Einvernehmen mit den v...