Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 14
Der Verlegungsgewinn, d. h. der Gewinn, der nach § 12 zum Schluss des Wirtschaftsjahres zu ermitteln und zu besteuern ist, in dem die Verlegung des Sitzes und/oder der Geschäftsleitung erfolgt und in dem die unbeschränkte Steuerpflicht endet, ist durch Gegenüberstellung des Anfangsvermögens und des Endvermögens zu ermitteln. Auf den Zeitpunkt des Wegzugs ist also eine Bilanz zur Ermittlung des Verlegungsgewinns aufzustellen. Anfangsvermögen ist dabei das buchmäßig ausgewiesene Vermögen am Anfang des Wirtschaftsjahres, Endvermögen ist das zum Schluss dieses Wirtschaftsjahres mit dem gemeinen Wert bewertete Vermögen.
Schematisch stellt sich die Ermittlung des Verlegungsgewinns folgendermaßen dar:
Schlussbilanzvermögen |
(Vermögen im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der unbeschränkten Steuerpflicht, bewertet zum gemeinen Wert) |
./. steuerfreie Vermögensmehrungen |
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= Endvermögen ./. Vermögen der letzten laufenden Bilanz |
(bewertet nach §§ 6ff. EStG, jedoch abzüglich der Gewinnausschüttungen für vorangegangene Wirtschaftsjahre) |
= Vermögenszugang (-rückgang) + nichtabziehbare Ausgaben |
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Verlegungsgewinn (-verlust) |
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Rz. 15
Im Gegensatz zu § 11 wird der Verlegungsgewinn nicht für einen mehrjährigen Zeitraum ermittelt. Scheidet die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Laufe eines Wirtschaftsjahres aus der unbeschränkten Steuerpflicht aus, wird das Vermögen zum Zeitpunkt des Ausscheidens mit dem Vermögen verglichen, das am Schluss des letzten der Verlegung vorangehenden Wirtschaftsjahres vorhanden war. Es entsteht also als letztes Wirtschaftsjahr ein Rumpfwirtschaftsjahr. Der Gewinnermittlungszeitraum kann mithin 12 Monate nicht übersteigen, sondern maximal 12 Monate betragen, wenn die Verlegung und damit das Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht genau auf das Ende des Wirtschaftsjahres erfolgt.
Rz. 16
Als Endvermögen ist das Vermögen anzusetzen, das im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht vorhanden ist. Erfasst wird auch ausländisches Vermögen, da dieses der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Allerdings gelten die Regeln eines DBA auch für die Steuerpflicht des Verlegungsgewinns. Ist also das inländische Besteuerungsrecht hinsichtlich im Ausland belegenen Vermögens ausgeschlossen (z. B. für eine ausländische Betriebsstätte), kann auch der hierauf beruhende Verlegungsgewinn im Inland nicht besteuert werden. Es kommt nicht darauf an, ob das ausländische Vermögen früher zu Buchwerten oder unter Aufdeckung der stillen Reserven ins Ausland übertragen worden ist. Soweit diese Wirtschaftsgüter der deutschen Besteuerung unterliegen, sind sie zu erfassen; eine frühere Gewinnrealisierung wirkt sich bei der Gewinnermittlung durch den höheren Buchwert aus. Soweit Wirtschaftsgüter in eine ausländische Betriebsstätte verbracht worden sind, für die die Freistellungsmethode gilt, sind etwa noch vorhandene, im Rahmen der „aufgeschobenen Besteuerung” gebildete Ausgleichsposten gewinnwirksam aufzulösen (zur Frage, ob das Vermögen auch dann zu erfassen ist, wenn beschränkte Steuerpflicht eintritt und soweit das inländische Vermögen dieser beschränkten Steuerpflicht unterliegt vgl. Rz. 12).
Rz. 17
Das Endvermögen ist mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Der gemeine Wert ist nach § 9 Abs. 2 BewG der Einzelveräußerungspreis. Der Teilwert wäre, da es sich tatsächlich nicht um eine Liquidation mit Zerschlagung des betrieblichen Organismus handelt, angemessener, doch ist der Gesetzeswortlaut eindeutig.
Fraglich ist bei dieser Formulierung, ob damit auch der Geschäfts- oder Firmenwert erfasst werden kann. Dieser haftet stets an dem Unternehmen, in dem er begründet ist und kann als Einzelwirtschaftsgut nicht veräußert werden, hat also keinen Einzelveräußerungspreis und damit keinen gemeinen Wert. Das würde bedeuten, dass ein originärer Firmenwert in der Schlussbilanz nicht angesetzt werden kann, die hierin ruhenden stillen Reserven also nicht aufgedeckt und steuerlich erfasst werden, während ein derivativer Firmenwert auszubuchen wäre, also zu einem Verlust führen würde. Diese Rechtsfolge widerspricht dem Sinn und Zweck des § 12, der alle fortbestehenden stillen Reserven steuerlich erfassen soll. Anders als bei der Liquidation, wo der Firmenwert i. d. R. untergeht, wenn er nicht zusammen mit dem Vermögen des Unternehmens veräußert werden kann, bleibt bei § 12 die betriebliche Organisation, und damit auch der Firmenwert, bestehen. M.E. ist § 12 daher so auszulegen, dass auch der Firmenwert anzusetzen ist, da er sonst als weiterbestehendes Wirtschaftsgut ins Ausland verlagert, also entstrickt würde. Das ist, nach dem Sinn des § 12, nur bei Gewinnrealisierung möglich. Der Ansatz hat dann nach dem eindeutigen Wortlaut des § 12 mit dem gemeinen Wert zu erfolgen, obwohl dieser Wert für einen Firmenwert nicht recht passt. Hat der Firmenwert im Einzelfall keinen Wert mehr, ist er nicht anzusetzen.
Rz. 18
Körperschaftsteuersubjekte, die nicht dem Vermögensvergleich unterliegen, sind entspr...