Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 19
Der Verlegungsgewinn unterliegt der Körperschaftsteuer mit dem Tarifsteuersatz des § 23, Steuervergünstigungen bestehen nicht.
Der Verlegungsgewinn wird nicht an die Anteilseigner ausgeschüttet oder ausgekehrt; die Besteuerung nach § 12 unterscheidet sich gerade dadurch von der nach § 11, dass kein Vermögen an Anteilseigner übertragen wird. Daher kann die Sitzverlegung nicht die Wirkungen einer Gewinnausschüttung hervorrufen. Das bedeutet, dass die Verlegung nicht zu einer Realisierung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 führt; ein etwa vorhandenes Körperschaftsteuerguthaben geht durch die Sitzverlegung verloren, weil nach der Sitzverlegung eine den deutschen handelsrechtlichen Vorschriften entsprechende Gewinnausschüttung nicht mehr möglich ist. Entsprechend kann es auch nicht mehr zu einer Körperschaftsteuererhöhung nach § 38 kommen. Für die Fälle des § 12 fehlt es also an einer Schlussbesteuerung, die dem § 40 Abs. 4 für die Liquidation entspricht. § 40 Abs. 4 lässt sich nicht entsprechend auf die Besteuerung der Sitzverlegung anwenden, da der Tatbestand des § 40 Abs. 4 ausdrücklich die „Verteilung” von Vermögen voraussetzt, es hierzu bei einer Sitzverlegung aber gerade nicht kommt.
Um den Verlust des Körperschaftsteuerguthabens nach § 38 zu vermeiden, muss daher eine optimale Gewinnausschüttung vor der Sitzverlegung erfolgen. Der Ausschüttungsbeschluss muss vor der Verlegung gefasst werden. Geschieht dies nach der Verlegung für ein Jahr vor der Verlegung, ist der Ausschüttungsbeschluss handelsrechtlich nicht mehr wirksam, da die Körperschaft durch die Verlegung nach der Sitztheorie ihre Eigenschaft als Kapitalgesellschaft handelsrechtlich verloren hat, also auch keine Gewinnausschüttungsbeschlüsse mehr fassen kann.
Rz. 19a
Auch bei dem bis Vz 2001 geltenden Anrechnungsverfahren ergaben sich Sonderprobleme. Die Ausschüttungsbelastung war für den Verlegungsgewinn nicht herzustellen. Zwar erfasste § 41 a. F. alle „Leistungen” im weitesten Sinne, war also nicht auf Gewinnausschüttungen und Liquidationsauskehrungen beschränkt, Voraussetzung für die Herstellung der Ausschüttungsbelastung war aber immer, dass „Leistungen” an die Anteilseigner erbracht werden. Das ist bei § 12 nicht der Fall; wird das Vermögen an die Anteilseigner ausgekehrt, findet nicht § 12, sondern § 11 Anwendung. Der Grund dafür, dass die Ausschüttungsbelastung nicht hergestellt wurde, lag also nicht in einer fehlenden Verweisung in § 12 auf § 41, sondern in der fehlenden Vermögensübertragung auf die Anteilseigner. § 41 war so weit gefasst, dass hierdurch alle Vermögensübertragungen auch ohne Verweisung erfasst wurden.
Da die Körperschaft nach dem Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht den Status der Anrechnungskörperschaft verlor, schied sie auch aus dem Anrechnungsverfahren aus. Die auf den Teilbeträgen des verwendbaren Eigenkapitals ruhenden Körperschaftsteuerbeträge wurden definitiv. Dies Ergebnis konnte dadurch vermieden werden, dass das gesamte belastete Eigenkapital vor der Verlegung ins Ausland ausgeschüttet wurde. Der Ausschüttungsbeschluss musste vor der Verlegung gefasst werden. Geschah dies nach der Verlegung für ein Jahr vor der Verlegung, war der Ausschüttungsbeschluss handelsrechtlich nicht mehr wirksam, da die Körperschaft durch die Verlegung nach der Sitztheorie ihre Eigenschaft als Kapitalgesellschaft handelsrechtlich verloren hatte, also auch keine Gewinnausschüttungsbeschlüsse mehr fassen konnte. Steuerlich handelte es sich daher, in der Terminologie des Anrechnungsverfahrens, um eine „andere Ausschüttung”, die dem Wirtschaftsjahr zuzuordnen war, in dem sie tatsächlich vorgenommen wurde. Dieses Wirtschaftsjahr lag aber nach der Verlegung in das Ausland, also in einem Zeitpunkt, in dem die Körperschaft ihren Status als Anrechnungskörperschaft bereits verloren hatte. Da somit das Anrechnungsverfahren nicht mehr eingreifen konnte, kam es auch zu keiner Herstellung der Ausschüttungsbelastung.
Auffällig war, dass keine „Schlussbesteuerung im Anrechnungsverfahren” stattfand, d. h. die auf dem verwendbaren Eigenkapital ruhende Körperschaftsteuer definitiv wurde, es aber nicht zu Körperschaftsteuerminderungen und -erhöhungen kam. Damit wurde das EK 0 ohne Körperschaftsteuererhöhung „entstrickt” und konnte dann auf die Anteilsinhaber übertragen werden. Bei hohem EK 0 und geringen stillen Reserven konnte die Verlegung des Sitzes und der Geschäftsleitung durchaus eine Alternative zu der Liquidation sein.