Rz. 45

Der Besteuerung einer aufgelösten Kapitalgesellschaft und anderer Körperschaften wird das Ergebnis des Abwicklungszeitraums (Liquidationszeitraum) zugrunde gelegt (vgl. § 11). Eine Gliederungsrechnung wird nur auf das Ende des Liquidationszeitraums aufgestellt; hierin liegt eine Abweichung von dem sonst üblichen Zeitpunkt der Gliederungsrechnung[1]. Zwischenzeitliche Stichtage, auf die handelsrechtlich Liquidationsbilanzen aufgestellt werden, sind steuerlich für die Einkommensermittlung und die Gliederungsrechnung ohne Bedeutung. Für den Liquidationszeitraum gelten für die Entwicklung des verwendbaren Eigenkapitals keine Besonderheiten; Zugänge und Abgänge sind nach den allgemeinen Vorschriften zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Ausschüttungen einschließlich der verdeckten Gewinnausschüttung während dieses Zeitraums. Vorabauskehrungen auf den zu erwartenden Liquidationsgewinn sind in der Eigenkapitalgliederung wie Vorabausschüttungen zu behandeln. Verdeckte Auskehrungen an die Anteilseigner werden wie verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt. Damit werden nicht nur die Schlussauskehrung im Liquidationsverfahren gegen das verwendbare Eigenkapital verrechnet, das vor dieser Schlussauskehrung festgestellt wurde (also das verwendbare Eigenkapital zum Ende des Liquidationszeitraums), sondern auch verdeckte Auskehrungen (entsprechen den verdeckten Gewinnausschüttungen) und Vorabauskehrungen (entsprechen den Vorabausschüttungen). Verdeckte Auskehrungen und Vorabauskehrungen sind in entsprechender Anwendung des § 28 Abs. 2 S. 2 mit dem verwendbaren Eigenkapital zu verrechnen, das sich zum Schluss des Zeitraums (d. h. des Liquidationszeitraums) ergibt, in dem die Auskehrung erfolgt[2].

Auskehrungen von Liquidationsraten lösen die Folgen des Anrechnungsverfahrens in dem Zeitpunkt aus, in dem sie bei der Anrechnungskörperschaft abfließen (vgl. Rz. 11).

 

Rz. 46

Die Folgen im Anrechnungsverfahren sind unabhängig davon, ob es sich um eine Auflösung mit anschließender Liquidation der Anrechnungskörperschaft handelt oder um eine Auflösung ohne folgende Liquidation (Insolvenzverfahren, vgl. § 11 Abs. 7). Im Folgenden wird daher nur von "Liquidation" gesprochen; die Ausführungen gelten jedoch auch für Auskehrungen nach Auflösung der Anrechnungskörperschaft ohne Liquidation.

 

Rz. 47

Verliert eine Körperschaft den Status einer Anrechnungskörperschaft durch Verlegung von Sitz und/oder Geschäftsleitung ins Ausland, tritt nach § 12 eine Schlussbesteuerung ein, die nach Liquidationsgrundsätzen durchzuführen ist. § 41 Abs. 4 ist auf diese Fälle nicht anwendbar. Bevor sich die Frage der Anwendung des Abs. 4 als Durchführungsbestimmung für bestimmte "sonstige Leistungen" im Anrechnungsverfahren stellt, ist zu prüfen, ob bei den Fallgruppen des § 12 überhaupt eine "sonstige Leistung" i.S.d. § 41 Abs. 1 vorliegt. Das ist nicht der Fall. Bei Verlegung des Sitzes und/oder Geschäftsleitung in das Ausland scheidet das Vermögen zwar aus der inländischen unbeschränkten Steuerpflicht aus; das ist Anlass für die Schlussbesteuerung nach § 12. Für die Anwendung des Anrechnungsverfahrens muss aber hinzu kommen, dass Leistungen an die Anteilseigner erbracht werden; das ist bei § 12 nicht der Fall, es wird kein Vermögen auf die Anteilseigner übertragen. Das Anrechnungsverfahren kann also nicht eingreifen; daher kann auch § 41 Abs. 4 nicht anwendbar sein (a. A. Wrede, in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, § 27 Rz. 17 a.E.; wie hier Dötsch, in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 41 Rz. 49a; Antweiler, in Arthur Andersen, KStG, § 41 Rz. 191, beide mit dem formalen Argument, dass § 12 den § 41 nicht in Bezug nimmt; maßgebend ist aber nicht diese unterbliebene Verweisung, sondern die Tatsache, dass keine Leistungen an die Anteilseigner erfolgen).

Nach der Verlegung von Sitz und/oder Geschäftsleitung hat die Körperschaft ihren Status als Anrechnungskörperschaft verloren, da sie nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig ist i.S.d. § 27. Gewinnausschüttungen können daher nach diesem Zeitpunkt mit steuerlicher Wirkung für das Inland nicht mehr vorgenommen, der Mechanismus des Anrechnungsverfahren also nicht mehr ausgelöst werden. Gewinnausschüttungen mit steuerlicher Wirkung sind nur vor dem Zeitpunkt der Sitz- und/oder Geschäftsleitungsverlegung möglich, nicht mehr nach diesem Zeitpunkt, auch nicht für Zeiträume vor der Verlegung; nach dem Zeitpunkt der Verlegung liegt keine Anrechnungskörperschaft mehr vor. Das führt zu dem Ergebnis, dass die Körperschaftsteuer definitiv wird[3]. Vor einer Verlegung von Sitz und/oder Geschäftsleitung sind daher in maximalem Umfang Ausschüttungen aus belastetem Eigenkapital vorzunehmen, um die definitiv werdende Steuer zu minimieren.

 

Rz. 48

Handelsrechtlich und steuerrechtlich für die Gliederungsrechnung sind die Schlussverteilung (Auskehrung des Liquidationserlöses nach Beendigung der Liquidation) und Vorabauskehrungen zu unterscheiden. Eine Vorabausschüttung erfolgt vor dem Ablauf des Sperrjahres[4] und ist daher, wenn sie u...

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