Rz. 39

Gewisse Unklarheiten bestehen bezüglich des Tatbestandsmerkmals des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich der Nutzung eines Wirtschaftsguts (Nutzungsüberlassung). Wird das Wirtschaftsgut auf eine ausländische Betriebsstätte übertragen, hat dieser Tatbestand keine eigenständige Bedeutung, da die Nutzungen des Wirtschaftsguts in der Betriebsstätte besteuert werden, der das Wirtschaftsgut zugeordnet ist. Mit der Übertragung auf eine ausländische Betriebsstätte geht damit sowohl das Recht auf Besteuerung des Veräußerungsgewinns als auch das Recht auf Besteuerung der Nutzungen verloren. Beides wird durch die Aufdeckung der stillen Reserven durch Ansatz des gemeinen Werts und die Besteuerung des dadurch realisierten Gewinns ersetzt. Der fiktive Veräußerungsgewinn durch Ansatz des gemeinen Werts enthält auch den Wert der (künftigen) Nutzungen, da der Wirtschaftsverkehr den Wert eines Wirtschaftsguts nach seinen künftigen Nutzungen bemisst. Insoweit ist eine bes. Besteuerung des "Nutzungstatbestands" nicht erforderlich.

 

Rz. 39a

Im Gegensatz zum Ausschluss oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts ist die Nutzungsüberlassung nicht europarechtlich überformt. Während in Art. 5 ATAD die Grundsätze für die "Übertragung von Vermögenswerten" (so die Überschrift des Art. 5 ATAD, s. dazu Rz. 131) geregelt sind, gibt es keine entsprechende Regelung für die Nutzungsüberlassung. Dies hat zur Folge, dass das in Art. 5 Abs. 5 ATAD für die Überführung von Wirtschaftsgütern angeordnete Korrespondenzprinzip (vorbehaltlich einer Marktwertkontrolle = § 6 Abs. 1 Nr. 5a Hs. 2 EStG; Abs. 1 S. 3: "höchstens zum gemeinen Wert"), für Nutzungsüberlassungen nicht anwendbar ist. Die nationale Entstrickungsbesteuerung für Nutzungsüberlassungen ist auch europarechtlich zulässig. Art. 3 ATAD bestimmt ausdrücklich, dass durch die Richtlinie nicht die Anwendung nationaler Bestimmungen verhindert wird, die ein höheres Maß an Schutz der inländischen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage wahren.

 

Rz. 40

Eine eigenständige Bedeutung hat der Tatbestand des Verlusts des Besteuerungsrechts an den Nutzungen daher nur, wenn nicht das Wirtschaftsgut selbst, sondern nur die Nutzungsmöglichkeit eines – materiellen oder immateriellen – Wirtschaftsguts vorübergehend überlassen wird. Für die Abgrenzung zwischen Nutzungsüberlassung und Übertragung ist es hilfreich, das Verständnis der ATAD-Richtlinie zu vergegenwärtigen. Nach dem 10. Erwägungsgrund der Richtlinie ist von einer Besteuerung der entstandenen Wertsteigerung und einer Wegzugsbesteuerung abzusehen, "wenn die Vermögenswerte nur vorübergehend übertragen werden und ihre Rückführung in den Ursprungsmitgliedstaat beabsichtigt ist". Die Übertragung und die Nutzungsüberlassung unterscheiden sich mithin in der (geplanten) Dauerhaftigkeit der Verwendung des Wirtschaftsguts in einer ausländischen Betriebsstätte. Solange das Wirtschaftsgut weiterhin nur vorübergehend in einer ausländischen Betriebsstätte verwendet wird, wird eine Entstrickungsbesteuerung zum gemeinen Wert (und damit die Aufdeckung stiller Reserven) nicht ausgelöst. Indes liegt eine Übertragung auch dann vor, wenn das Wirtschaftsgut im Anschluss an eine zunächst nur vorübergehende Überlassung an eine ausländische Betriebsstätte aufgrund einer (neuen) Zuordnungsentscheidung des Stpfl. dauerhaft in der ausländischen Betriebsstätte verbleibt. Diese Zuordnungsentscheidung kann auch konkludent getroffen werden, indem der Stpfl. das Wirtschaftsgut nach Ablauf des geplanten Überlassungszeitraums nicht wieder in das Inland überführt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Stpfl. auch die Dauer der Nutzungsüberlassung verlängern kann, ohne dass dadurch bereits die Entstrickungsbesteuerung ausgelöst wird.

Ähnlich wie bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern setzt der "Nutzungstatbestand" des § 12 Abs. 1 KStG voraus, dass die Nutzung nicht einer anderen Person überlassen wird. Es muss sich also um ein "Innengeschäft" der Körperschaft handeln, beispielsweise um eine Nutzungsüberlassung an eine ausländische Betriebsstätte. Keine Anwendungsfälle der Nutzungsüberlassung sind insbesondere folgende Gestaltungen:

  • Das Wirtschaftsgut wird von einer inländischen Körperschaft einer im Ausland ansässigen anderen (nahe stehenden oder nicht nahe stehenden) Person zu einem angemessenen Entgelt überlassen. Das Nutzungsentgelt wird im Inland besteuert; daher wird das deutsche Besteuerungsrecht an den Nutzungen weder ausgeschlossen noch eingeschränkt.
  • Das Wirtschaftsgut wird von einer inländischen Tochtergesellschaft der ausländischen Muttergesellschaft oder einer Schwestergesellschaft zu einem nicht angemessenen Nutzungsentgelt überlassen. § 12 KStG ist in dieser Konstellation nicht einschlägig, weil eine Überlassung an einen anderen Rechtsträger erfolgt. In diesem Fall ist der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 KStG erfüllt.
  • Das Wirtschaftsgut wi...

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