Rz. 96

Für Grundstücke steht das Besteuerungsrecht nach Art. 6 OECD-MA regelmäßig dem Belegenheitsstaat zu, und zwar unabhängig davon, ob die Grundstücke einer Betriebsstätte zugeordnet sind oder nicht.[1] Art. 4, 12 FRL macht die Steuerneutralität auch bei Grundstücken von der Erfüllung der "Betriebsstättenbedingung" abhängig. Das bedeutet, dass eine Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven erfolgen könnte, wenn das Grundstück nicht einer inl. Betriebsstätte zugeordnet werden kann. Wegen des Belegenheitsprinzips kann eine Entstrickung bei Grundstücken jedoch nicht eintreten, weshalb die Betriebsstättenbedingung in der Fusionsrichtlinie insoweit überflüssig ist. Richtigerweise folgt § 12 Abs. 1 KStG insoweit der Fusionsrichtlinie nicht, sondern macht die Besteuerung von der tatsächlichen Entstrickung abhängig, die bei im Inland belegenen Grundstücken unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Betriebsstätte nicht erfolgt. Bei Grundstücken führt die Sitzverlegung daher nicht zu einer Entstrickungsbesteuerung.

Eine Sonderkonstellation besteht jedoch in einer Situation, bei der das Grundstück im Ausland belegen ist und mit dem Belegenheitsstaat kein DBA besteht. Wird die Geschäftsleitung in einer solchen Konstellation ins Ausland verlegt und endet deshalb die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland, dann hat die Bundesrepublik ein beschränktes Besteuerungsrecht an dem Grundstück vor der Sitzverlegung aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht (Anrechnungsmethode), verliert es aber, da nach der Sitzverlegung nur die durch eine Betriebsstätte begründete beschränkte Steuerpflicht im Inland besteht, die das ausl. Grundstück jedoch nicht umfasst.

 

Rz. 97

Hält die wegziehende Gesellschaft Kapitalbeteiligungen, gilt Folgendes: Das Besteuerungsrecht für Kapitalbeteiligungen steht regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zu. Hält die wegziehende Körperschaft solche Anteile, wird das Besteuerungsrecht durch den Wechsel des Ansässigkeitsstaats regelmäßig auf diesen übertragen und die Entstrickungsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 KStG ausgelöst. Einer im Inland verbleibenden Betriebsstätte können die Kapitalbeteiligungen nur bei Vorliegen bes. Umstände zugerechnet werden.[2] Damit stellt sich die Frage, ob vor der Sitzverlegung eine "Holding-Betriebsstätte" begründet werden kann, der die Kapitalbeteiligungen zuzuordnen sind. Eine solche Holding-Betriebsstätte ist zwar grundsätzlich möglich, die Voraussetzungen für die Zuordnung der jeweiligen Kapitalbeteiligung zu einer solchen Betriebsstätte (und nicht zum Stammhaus) sind jedoch hoch und die konkreten Kriterien für die Zuordnung der Kapitalbeteiligung zu einer Holding-Betriebsstätte sind nicht abschließend geklärt.[3] Nach der Rspr. des BFH gehörten Dividenden nur dann zu den Unternehmensgewinnen einer ausländischen Betriebsstätte, wenn "sie in einem funktionalen Zusammenhang mit der in der Betriebsstätte ausgeübten unmittelbar unternehmerischen Tätigkeit stünden, sodass es sich nach der Verkehrsauffassung um Nebenerträge jener Tätigkeit handele".[4] Die Kriterien für die Zuordnung der Dividende zu einer Betriebsstätte können m. E. auf die die Beteiligungserträge vermittelnde Kapitalbeteiligung selbst übertragen werden. Als Kriterien für eine "funktionale Zuordnung" der Dividende zur Betriebsstätte wird einerseits die Fallkonstellation genannt, in welcher das Halten der Beteiligung, von der die Dividende stammt, in der Weise positive Auswirkungen auf die in der Betriebsstätte ausgeübte Vertriebstätigkeit haben könnte, dass die Beteiligungserträge als Nebenerträge zu dem Gewinn aus der Vertriebstätigkeit anzusehen wären. Andererseits könne ein funktionaler Zusammenhang anzunehmen sein, wenn die Betriebsstätte ihrerseits Vertriebsfunktionen in den Kapitalbeteiligungen übernommen habe oder der Betriebsstätte – neben dem Stammhaus – bestimmte geschäftsleitende Holdingfunktionen über die Kapitalbeteiligungen (bspw. Vertriebsgesellschaften) übertragen worden seien, die nach dem Veranlassungsprinzip und dem Funktionszusammenhang eine Zuordnung der Kapitalbeteiligungen bei der Betriebsstätte rechtfertigen könnten.[5] Die konkreten Tätigkeiten der Betriebsstätte müssen danach ein nennenswertes Gewicht haben. Dazu gehört eine hinreichende personelle und sachliche Ausstattung der Betriebsstätte. Außerdem empfiehlt es sich dringend die konkreten geschäftsleitenden Maßnahmen schriftlich zu dokumentieren.

 

Rz. 98

Einige DBA weisen das Besteuerungsrecht für die Kapitalanteile nicht dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters, sondern dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft zu; dies gilt z. B. für die DBA mit Tschechien[6] und der Slowakei.[7] In diesem Fall führt die Sitzverlegung des Gesellschafters nicht zur Steuerentstrickung. Soweit die Kapitalgesellschaft, an der die Anteile bestehen, im Ausland ansässig ist, hatte Deutschland kein Besteuerungsrecht, verliert es durch die Sitzverlegung des Gesellschafters also nicht. Soweit die Kapitalgesellschaft, an der die Anteile beste...

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