Rz. 128
Normativ ist genau danach zu trennen, ob das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts erstmals begründet wird oder ob eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts wegfällt. Die Differenzierung hat auch praktische Auswirkung, weil im Fall der Steuerverstrickung grundsätzlich der gemeine Wert anzusetzen ist (Rz. 128), während im Fall der Verstärkung des Besteuerungsrechts grundsätzlich der Buchwert fortzuführen ist (Rz. 130ff.). Terminologisch wird nachfolgend der Wegfall einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts als "Verstärkung des Besteuerungsrechts" bezeichnet. Die Verstärkung des Besteuerungsrechts bildet also den Gegenpol zur Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts. Die Steuerverstrickung bildet dagegen den Gegenpol zum Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts.
2.3.1 Steuerverstrickung
Rz. 128a
Das KStG enthält keine bes. Regelung zu den steuerlichen Folgen, die eintreten, wenn ein Wirtschaftsgut in die Besteuerungshoheit der Bundesrepublik überführt wird ("Steuerverstrickung"), etwa indem es aus einer ausl. Betriebsstätte der Körperschaft, für welche die Freistellungsmethode gilt, in eine inl. Betriebsstätte überführt wird. Das deutsche Besteuerungsrecht wird auch begründet, wenn ein Wirtschaftsgut aus einer Betriebsstätte, für welche die Freistellungsmethode gilt, in eine Betriebsstätte, für welche die Anrechnungsmethode gilt, übertragen wird. Bei Körperschaften sind jedoch die einkommensteuerlichen Vorschriften zu Einlagen (anders als die zu Entnahmen) anwendbar. Daher ist auch für Körperschaften § 4 Abs. 1 S. 8 Halbs. 2 EStG anzuwenden. Diese Vorschrift behandelt die Steuerverstrickung, die insbesondere eintritt, wenn ein bisher aus dem deutschen Besteuerungsrecht ausgeschlossenes Wirtschaftsgut (z. B. ein Wirtschaftsgut einer Betriebsstätte in einem Staat, mit dem die Freistellungsmethode vereinbart ist) in das Inland überführt wird. Der Eintritt der Steuerverstrickung durch Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik wird als Einlage behandelt. Diese fiktive Einlage ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Hs. 1 EStG grundsätzlich mit dem gemeinen Wert zu bewerten, also einschl. eines Gewinnaufschlags. Dadurch erhöht sich bei einer Überführung in das inl. Stammhaus oder eine inl. Betriebstätte das im Inland anzusetzende Abschreibungsvolumen. Diese Regelung gilt prinzipiell für alle Staaten, also sowohl im Verhältnis zu EU-Staaten als auch zu Drittstaaten. Findet jedoch für das Wirtschaftsgut, für das ein deutsches Besteuerungsrecht begründet wurde, in dem Herkunftsstaat eine Entstrickungsbesteuerung statt, wird der Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Hs. 2 EStG modifiziert. In einem solchen Fall ist das Wirtschaftsgut mit dem Wert anzusetzen, den der andere Staat der Entstrickungsbesteuerung zugrunde legt (Entstrickungswert), höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert. Eine derartige Wertverknüpfung zwischen dem vom Herkunftsstaat der Entstrickungsbesteuerung zugrunde gelegten Wert und dem Einlagewert ist europarechtlich durch Art. 5 Abs. 5 ATAD vorgegeben. Auch die Beschränkung auf den gemeinen Wert ist in Art. 5 Abs. 5 ATAD vorgezeichnet ("es sei denn, dieser [= der Entstrickungswert] spiegelt nicht den Marktwert wieder").
Rz. 129
Bei der Steuerverstärkung handelt es sich insb. um folgende Konstellationen:
- Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausl. Betriebsstätte mit Freistellungsmethode in das inl. Stammhaus;
- Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem ausl. Stammhaus oder einer anderen ausl. Betriebsstätte in die inl. Betriebsstätte;
- bei einem unbeschränkt Stpfl. mit inl. Stammhaus: Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer ausl. Betriebsstätte mit Freistellungsmethode in eine ausl. Betriebsstätte mit Anrechnungsmethode;
- Kündigung eines DBA mit Freistellungsmethode oder Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode durch Änderung des DBA.
Rz. 129a
Steuersystematisch ist die gesetzliche Behandlung nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a Hs. 1 EStG zur Einlagebewertung mit dem gemeinen Wert schlüssig. Für die bis zur Steuerverstrickung in Deutschland entstandenen stillen Reserven hatte Deutschland kein Besteuerungsrecht. Erst ab dem Zeitpunkt der deutschen Steuerverstrickung kann Deutschland die Wertsteigerungen steuerlich erfassen und muss Wertminderungen im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung berücksichtigen. Gleichsam ist die Wertverknüpfung mit dem bei der Entstrickungsbesteuerung im Herkunftsland zugrunde gelegten Wert – begrenzt auf den gemeinen Wert – konsequent. Ungeachtet der europarechtlichen Vorgabe aus Art. 5 Abs. 5 ATAD erleichtert die Wertverknüpfung den Steuervollzug und vermeidet durch die Wertverknüpfung konzeptionell in EU-Fä...