Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen
Rz. 23
Abs. 2, der die Folgen bei Erlöschen einer Steuerbefreiung regelt, ist eine spiegelbildliche Vorschrift zu Abs. 1, der die Folgen bei Eintritt einer Steuerbefreiung regelt. Der subjektive Anwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich somit wie der subjektive Anwendungsbereich des Abs. 1 auf unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i. S. d. § 1 KStG, die Gewinneinkünfte beziehen (Rz. 9).
Rz. 24
Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist, dass die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, deren Steuerbefreiung erlischt, ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt hat. Der Gesetzeswortlaut lässt nicht erkennen, ob die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich bereits vor dem Erlöschen der Steuerbefreiung oder erst hiernach erfolgen muss. Dem Zweck des Gesetzes entspricht es m. E., die Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich erst nach dem Erlöschen der Steuerbefreiung zu verlangen. Dies korrespondiert mit dem Erfordernis, eine "Anfangsbilanz" aufzustellen. Das bedeutet, dass die Rechtsfolgen der Vorschrift eintreten, wenn eine steuerfreie Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG oder durch Einnahmen-Ausaben-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hat, steuerpflichtig wird und hiernach ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt. Ist die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nicht zur Führung von Büchern verpflichtet, steht es ihr m. E. frei, zu einem späteren Zeitpunkt, z. B. nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs nach Erlöschen der Steuerbefreiung, zur Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG überzugehen.
Rz. 25
Aus der gesetzlichen Forderung, die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse müsse nach dem Erlöschen der Steuerbefreiung ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, kann m. E. nicht gefolgert werden, dass eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, die unter der Herrschaft der Steuerbefreiung gelegten stillen Reserven versteuern muss, wenn diese nach Erlöschen der Steuerbefreiung realisiert werden. M. E. kann die Körperschaft in diesen Fällen in die von ihr für die nicht abnutzbaren und die abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu erstellenden Anlageverzeichnisse zumindest die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mit dem Teilwert im Zeitpunkt des Erlöschens der Steuerbefreiung aufnehmen, wodurch insoweit letztlich dasselbe Ergebnis erzielt wird wie bei der Erstellung einer Anfangsbilanz mit Teilwerten. Darüber hinausgehend wird auch eine analoge Anwendung der Einlageregelungen des § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG erwogen, die auch das Umlaufvermögen erfassen würde. Die Gegenansicht will die während der Steuerbefreiung erzielten stillen Reserven nicht abgrenzen, was zu einer späteren Versteuerung der stillen Reserven führen würde. Für eine solche Benachteiligung der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung fehlen aber sachliche Gründe und eine gesetzliche Grundlage. Durch das Recht der Körperschaft, zum Betriebsvermögensvergleich überzugehen, würde sich auch ein Wahlrecht zur Gewinnrealisierung ergeben, was systemwidrig wäre. Auf jeden Fall wäre der Körperschaft zu raten, auf den Zeitpunkt des Eintritts in die Steuerpflicht freiwillig zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich überzugehen, um eine sachgerechte Abgrenzung der vor und nach diesem Zeitpunkt entstandenen stillen Reserven zu erreichen. Es soll genügen, wenn die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich unverzüglich nach Kenntnis der KSt-Pflicht erfolgt.
Ein erneuter Wechsel der Gewinnermittlungsart ist erst nach drei Jahren möglich, sofern nicht ausnahmsweise ein besonderer Grund vorliegt.
Rz. 25a
Keine Abgrenzung erfolgt bei Überschusseinkünften. Das hat insbesondere Bedeutung für Grundstücke. Werden sie nach dem Eintritt der Steuerpflicht innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG veräußert, ist der Veräußerungsgewinn steuerpflichtig, auch soweit er während des Bestehens der Steuerbefreiung entstanden ist.