Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 187
Die Organgesellschaft musste ursprünglich Geschäftsleitung und Sitz im Inland haben (doppelter Inlandsbezug); unbeschränkte Stpfl. allein genügte nicht. Wegen der mit diesem doppelten Inlandsbezug verbundenen Diskriminierung hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Das BMF hatte sich der Ansicht der EU-Kommission angeschlossen, dass der doppelte Inlandsbezug eine europarechtswidrige Diskriminierung darstellte, und durch Schreiben v. 28.3.2011 geregelt, dass eine im EU- oder EWR-Ausland gegründete Kapitalgesellschaft Organgesellschaft sein kann, wenn sie ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Dem folgend hat der Gesetzgeber diese Regelung in § 14 Abs. 1 S. 1 KStG übernommen. Die Regelung gilt nach § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG i. d. F. des Gesetzes v. 18.12.2013 für alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle. Eine eigenständige Regelung zur Durchbrechung der Bestandskraft enthält das Gesetz nicht.
Rz. 188
Im Gegensatz zum Organträger gibt es für die Organgesellschaft keine Erweiterung auf Betriebsstätten. Eine im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Ausland kann daher nicht Organgesellschaft eines inl. Organträgers sein. Rechtspolitisch ist dies zu kritisieren. Wenn ein inl. Rechtsträger an einer ausl. Gesellschaft, die einer inl. Kapitalgesellschaft entspricht, in einer der finanziellen Eingliederung entsprechenden Höhe beteiligt ist, und diese ausl. Gesellschaft im Inland eine Betriebsstätte unterhält, gibt es keinen Grund, warum zwischen dem inl. Rechtsträger und der inl. Betriebsstätte kein Organschaftsverhältnis bestehen soll, wenn insoweit ein Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wird. Folge ist dann, dass das Einkommen der Betriebsstätte nicht der beschränkt stpfl. Person zugerechnet wird, sondern in der Person des inl. Organträgers der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Deutsche Besteuerungsrechte würden nicht beeinträchtigt, da die beschränkte Steuerpflicht der inländischen Einkünfte der ausländischen Organgesellschaft die deutsche Besteuerung ebenso sicherstellen würde wie ihre unbeschränkte Steuerpflicht. Zusätzliche Probleme hinsichtlich der Gewinnabgrenzung zwischen inl. Betriebsstätte und ausl. Stammhaus ergeben sich nicht, da die Gewinnabgrenzung auch ohne Bestehen einer Organschaft im Rahmen der dann beschränkten Steuerpflicht erfolgen muss.
Rz. 189
Der Ausschluss der Organschaft mit inl. Betriebsstätten ausl. Körperschaften verstößt gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV, da ausl. Rechtsträger mit inl. Betriebsstätten gegenüber inl. Rechtsträgern mit inl. Betriebsstätten diskriminiert werden. § 18 KStG a. F. hatte gezeigt, dass eine Umqualifizierung zwischen beschränkter und unbeschränkter Stpfl. nicht systemwidrig ist. So könnten etwa bei einer ausl. Organgesellschaft nur die inl. Betriebsstätten in die Wirkung der Organschaft einbezogen werden. Bei einer so gestalteten Organschaft sind schützenswerte Interessen der Bundesrepublik nicht gefährdet. Die Regelung, dass Organgesellschaften die Geschäftsleitung im Inland haben müssen, stellt also eine EU-widrige Diskriminierung ausl. Gesellschaften dar.
Rz. 190
Die Organgesellschaft muss danach ihre Geschäftsleitung im Inland und kann ihren Sitz in einem EU- oder EWR-Staat haben. Da Deutschland ein EU-Staat ist, kann sich der Sitz auch im Inland befinden. Die Regelung ist daher insoweit nicht unklar. Da jedoch unter § 14 Abs. 1 S. 1 KStG nur Kapitalgesellschaften deutschen Rechts und die SE fallen, ist auf ausl. Gesellschaften mit Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland § 17 KStG anzuwenden. Das gilt für alle ausl. Gesellschaftsformen, die einer Kapitalgesellschaft deutschen Rechts vergleichbar sind, auch wenn Vergleichbarkeit mit einer deutschen AG oder KGaA besteht.
Rz. 190a
Andererseits kann eine Gesellschaft mit Geschäftsleitung in einem EU- bzw. EWR-Staat oder einem Drittstaat und mit Sitz im Inland nicht Organgesellschaft sein; erforderlich ist die Geschäftsleitung im Inland. Hat eine Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung im Inland und ihren Sitz in einem Drittstaat, kann sie auch nicht Organgesellschaft sein. Die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV bietet den Drittstaatengesellschaften keinen Schutz, da die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV infolge der Notwendigkeit der finanziellen Eingliederung vorrangig ist. Offen ist aber, ob das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 OECD-MA einschlägig ist, da dieses die Diskriminierung von ausl. Gesellschaften verbietet, die im Inland ansässig sind. Da sich die Ansässigkeit i. d. R. nach dem Ort der Geschäftsleitung richtet, wäre eine solche Drittstaatengesellschaft im Inland ansässig, dürfte also nicht schlechter behandelt werden als eine deutsche Gesellschaft.
Rz. 190b
Nicht zulässig ist daher eine Organschaft mit einer Gesellschaft, die ihren Sitz im Inland, die Geschäftsleitung aber im Ausl...