Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 49
Nach § 27 Abs. 1 ist die Tarifbelastung definiert als Belastung des Eigenkapitals. Der Begriff der Tarifbelastung nach § 27 ist nicht identisch mit dem des Tarifsteuersatzes nach § 23 Abs. 1, obwohl Zusammenhänge bestehen (vgl. Rz. 52). Die Tarifbelastung nach § 27 Abs. 1 bezieht sich auf die Belastung von Eigenkapitalteilen, ohne Rücksicht darauf, wann und auf welche Weise diese Eigenkapitalteile und ihre steuerliche Belastung entstanden sind; die Tarifsteuer des § 23 bezieht sich auf ein bestimmtes Einkommen eines bestimmten Veranlagungszeitraumes.
Der Begriff der "Belastung" ist in § 27 Abs. 1 nicht definiert. Er ist nach der Gesetzesbegründung aus seinem Sinngehalt und seiner Beziehung zu der Größe "Eigenkapital" erklärbar. Die Notwendigkeit einer besonderen Erklärung ergibt sich daraus, dass die Steuer normalerweise nicht einem bestimmten Einkommensbestandteil als Belastung zugeordnet wird; die Gesamtheit der Steuer "belastet" die Gesamtheit des Einkommens. Das Anrechnungsverfahren erfordert aber eine Zuordnung der anrechenbaren Steuer zu einem bestimmten Einkommensbestandteil, d. h. dem Eigenkapitalteil, der ausgeschüttet wird. "Belastung" i.S.d. § 27 Abs. 1 bedeutet also Zuordnung einer bestimmten anrechenbaren Steuer zu einem bestimmten Teil des ausschüttbaren Eigenkapitals. Dieser Zuordnung dient die Gliederungsrechnung nach § 30; vgl. daher die Kommentierung zu dieser Vorschrift.
Rz. 50
Das Eigenkapital ergibt sich nach § 29 Abs. 1 aus der Steuerbilanz (vgl. § 29 Rz. 8ff.). Das Gesetz enthält keine entsprechende Regelung für die "Belastung" dieses Eigenkapitals, sagt also nicht ausdrücklich, dass auch die Belastung des Eigenkapitals aus der Steuerbilanz abzuleiten ist. Diese Folge ergibt sich aber mittelbar aus dem gesetzlichen Zusammenhang. Das Eigenkapital nach § 29 ist das um die Steuerbelastung und nicht abzugsfähige Ausgaben geminderte Einkommen. Wenn das "Eigenkapital" aus der Steuerbilanz ermittelt wird, muss Gleiches für den damit zusammenhängenden Begriff der "Belastung" gelten.
Daher knüpft auch die anrechenbare Steuer an die Steuerbilanz, d. h. an das Ergebnis nach der Steuerbilanz, an. Die "Belastung" mit anrechenbarer Steuer ist ebenso wie die Höhe des Eigenkapitals aus der Steuerbilanz abzuleiten, und zwar nicht aus der tatsächlich erstellten Steuerbilanz, sondern aus einer den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Steuerbilanz. Fehler der tatsächlich aufgestellten Steuerbilanz sind, soweit nicht bestandskräftige Bescheide dem entgegenstehen, zu korrigieren.
Materiell maßgebend sind daher die Steuerbilanz und die darin enthaltenen Ansätze. Außerhalb der Steuerbilanz, nämlich in der Gliederungsrechnung, erfolgt lediglich die Zuordnung einer bestimmten Belastung mit anrechenbarer Steuer zu einem bestimmten Eigenkapitalteil. Die Gliederungsrechnung kann nur das gliedern, was in der Steuerbilanz enthalten ist. Bei einem Konflikt zwischen Steuerbilanz und Gliederungsrechnung hat die Steuerbilanz also Vorrang. Bei Abweichungen, die durch das Gesetz nicht gedeckt sind, ist die Gliederungsrechnung an die Steuerbilanz anzugleichen (vgl. § 30 Rz. 141ff.).
Rz. 51
Die Belastung (Tarifbelastung) muss bei der Körperschaft tatsächlich "eingetreten" sein. Eingetreten ist die Belastung dann, wenn die Steuer nach den Steuergesetzen entstanden ist. Es ist ohne Bedeutung, ob diese Steuer später (z. B. durch Zahlung) erlischt, erlassen wird oder tatsächlich nicht gezahlt wird. Für den Erlass enthält § 34 eine Sonderregelung. Wird die Steuer von der Körperschaft nicht gezahlt, greift das Anrechnungsverfahren trotzdem ein, bei der Anrechnungskörperschaft kommt es im Falle der Ausschüttung zu einer Körperschaftsteuerminderung (der nicht gezahlten Steuer), bei dem Anteilseigner wird eine tatsächlich nicht gezahlte Steuer angerechnet. Lediglich für Sonderfälle schließt § 36a EStG die Anrechnung aus (vgl. Rz. 28 sowie Seemann, in Frotscher, EStG, § 36a Rz. l); in allen übrigen Fällen kommt es zur Anrechnung.
Rz. 52
Der Begriff der Tarifbelastung bezieht sich auf das Eigenkapital, nicht auf das Einkommen. Bei der Verwendung des Eigenkapitals zur Ausschüttung eines Wirtschaftsjahres, und damit bei der Ermittlung der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen, besteht keine unmittelbare Beziehung zwischen dem zur Ausschüttung verwendeten Eigenkapital und dem Einkommen des Veranlagungszeitraums der Ausschüttung. Die Verwendung bestimmter Eigenkapitalteile für die Ausschüttung eines Wirtschaftsjahres ist unabhängig vom Einkommen desjenigen Jahres, in dem ausgeschüttet wird, und vom Einkommen desjenigen Jahres, für das ausgeschüttet wird. Das ist eine Folge der Verwendungsreihenfolge (Verwendungsfiktion) in § 28 Abs. 3 (vgl. § 28 Rz. 36ff.).
Historisch, d. h. vom Entstehen des Eigenkapitals her betrachtet, besteht jedoch eine enge Verbindung zwischen Einkommen und Eigenkapital sowie dessen steuerlicher Belastung, und damit auch zwischen der Tarifbelastung nach § 27 Abs. 1 und der Tarifsteuer nach § 23 Abs....