Rz. 88

Die Frage nach dem zeitlichen Anwendungsbereich des § 27 Abs. 1 ist darauf gerichtet, an welchen Zeitpunkt die Tatbestandsverwirklichung anknüpft und damit die Rechtsfolgen der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen eintreten lässt. Ausgehend von dem Normalfall der Gewinnausschüttung kommen folgende Zeitpunkte in Betracht:

  • der Zeitpunkt der Fassung des Ausschüttungsbeschlusses (vgl. Rz. 100) und der Passivierung der Verpflichtung aus der Ausschüttung,
  • bei verdeckten Gewinnausschüttungen der Zeitpunkt der Minderung des Einkommens (vgl. Rz. 98),
  • der Vollzug der Ausschüttung bei der Körperschaft (Abfluss) und
  • der Zufluss der Ausschüttung beim Anteilsinhaber (vgl. Rz. 101).
 

Rz. 89

Der Wortlaut des § 27 Abs. 1 knüpft die Rechtsfolgen der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen daran, dass die Anrechnungskörperschaft "ausschüttet". Dieses Ausschütten stellt eine Leistung der Anrechnungskörperschaft dar. Damit wird jedenfalls jeder Zeitpunkt als maßgebend ausgeschlossen, der an Verhältnisse der Anteilseigner anknüpft. Die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen betreffen allein die Sphäre der Anrechnungskörperschaft, nicht die der Anteilseigner; Verhältnisse der Anteilseigner können daher für das Eingreifen des Anrechnungsverfahrens auf der Ebene der Anrechnungskörperschaft nicht maßgebend sein. Der Zufluss beim Anteilseigner scheidet daher als maßgebender Zeitpunkt aus (vgl. Rz. 101).

Ebenfalls ausgeschlossen ist es, bei einer verdeckten Gewinnausschüttung an den Zeitpunkt der Einkommensminderung und die dadurch nach § 8 Abs. 3 erforderliche Korrektur des Einkommens abzustellen. Der Zeitpunkt der Einkommensminderung und der Einkommenskorrektur hat keine Beziehung zum Zeitpunkt der "Ausschüttung", wie er in § 27 enthalten ist[1]. Außerdem wäre ein solcher Zeitpunkt nur bei einer verdeckten Gewinnausschüttung vorhanden, nicht bei einer offenen Ausschüttung und auch nicht bei sonstigen Leistungen nach § 41.

 

Rz. 90

Da § 27 Abs. 1 die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen an die "Ausschüttung" knüpft, ist zu schließen, dass die Vollendung der Ausschüttung maßgebend ist, d. h. der Vollzug des Ausschüttungsbeschlusses. Vor diesem Zeitpunkt hat die Körperschaft den Gewinn nicht "ausgeschüttet", wie es § 27 Abs. 1 verlangt. Damit scheidet als maßgebend der Zeitpunkt der Fassung des Ausschüttungsbeschlusses bzw. bei der verdeckten Gewinnausschüttung der Zeitpunkt der Einkommensminderung aus (vgl. Rz. 98). Zu Recht bestimmt daher der BFH (v. 24.3.1987, I B 127/86, BStBl II 1987, 508; v. 9.12.1987, I R 260/83, BStBl II 1988, 460; v. 18.7.1990, I R 173/87, BFH/NV 1991, 190; ebenso Wassermeyer, DB 1987, 1113, 1117; Dötsch, DB 1986, 2041; Wrede, DB 1979, 1619, 1620; Wrede, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 27 KStG Rz. 30a; Abschn. 77 Abs. 6 KStR) als maßgebenden Zeitpunkt den des Vermögensabflusses aufgrund der Gewinnausschüttung bzw. der sonstigen Leistung bei der Anrechnungskörperschaft. Dies entspricht dem Zweck des Gesetzes, der es verbietet, eine Thesaurierung zum Ausschüttungssteuersatz zuzulassen. Nur dann, wenn der Abflusszeitpunkt maßgebend ist, wird verhindert, dass die Körperschaft (etwa durch Fassen eines Gewinnverteilungsbeschlusses, aber Aufschieben der Auszahlung) Gewinne zeitweilig mit einem Steuersatz von 30 % thesauriert[2].

 

Rz. 91

Somit lässt sich die Gewinnausschüttung bzw. sonstige Leistung definieren als eine auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage erfolgte Vermögensminderung der Anrechnungskörperschaft, die sich durch einen tatsächlichen Mittelabfluss konkretisiert hat[3]. Zum Begriff der Ausschüttung (sei es offene oder verdeckte Ausschüttung) und der sonstigen Leistung i.S.d. §§ 27, 41 gehören also eine gesellschaftsrechtliche Grundlage, Vermögensminderung und Abfluss (zum Begriff der gesellschaftsrechtlichen Grundlage ("societatis causa") vgl. Rz. 44). Eine Vermögensminderung liegt vor, wenn das Eigenkapital nach der Steuerbilanz gemindert ist (zum Abfluss vgl. Rz. 101). Es müssen, um eine Gewinnausschüttung oder sonstige Leistung i.S.d. § 27 annehmen zu können, sowohl Vermögensminderung als auch Abfluss vorliegen; das Vorliegen nur eines Merkmals reicht nicht aus. Es genügt daher nicht, bilanziell eine Vermögensminderung auszuweisen, um das Anrechnungsverfahren eingreifen zu lassen. Ist etwa aus gesellschaftsrechtlichen Gründen eine Rückstellung gebildet worden (überhöhte Pensionsrückstellung für den Gesellschafter-Geschäftsführer), liegt zwar eine steuerbilanzielle Vermögensminderung sowie gesellschaftsrechtliche Veranlassung vor, aber noch kein Abfluss; die (verdeckte) Gewinnausschüttung ist i.S.d. § 27 noch nicht durchgeführt. Liegt andererseits ein Mittelabfluss vor (z. B. Zahlung des Kaufpreises), handelt es sich nicht um eine Ausschüttung, wenn damit keine Vermögensminderung (wegen der Aktivierung des Kaufgegenstandes) und keine gesellschaftsrechtliche Grundlage (wegen der Angemessenheit des Kaufpreises) verbunden ist.

 

Rz. 92

Für den Abflussz...

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