Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 19
Für "andere Ausschüttungen" bestimmt Abs. 2 S. 2, dass sie mit dem verwendbaren Eigenkapital zu verrechnen sind, das sich zum Schluss des Wirtschaftsjahres ergibt, in dem die Ausschüttung erfolgt. Der Begriff der "anderen Ausschüttungen" ist derselbe wie bei § 27 Abs. 3 S. 2 (vgl. § 27 Rz. 139, 193).
Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen ist der Zeitpunkt, zu dem die Ausschüttung erfolgt. "Erfolgt" ist die Ausschüttung mit dem Abfluss bei der Anrechnungskörperschaft (vgl. hierzu sowie zum Begriff des Abflusses § 27 Rz. 90ff.).
Rz. 20
Als Rechtsfolge bestimmt Abs. 2 S. 2, dass sich die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen aus dem verwendbaren Eigenkapital zum Schluss des Wirtschaftsjahres errechnen, in dem die andere Ausschüttung bei der Anrechnungskörperschaft abfließt.
Beispiel (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr):
Eine Kapitalgesellschaft nimmt im Wirtschaftsjahr 01 eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen für diese Gewinnausschüttung sind aus dem verwendbaren Eigenkapital zu errechnen, das auf den 31.12.01 festgestellt wird.
Rz. 21
Folge dieser Regelung ist, dass das verwendbare Eigenkapital zum Schluss des Wirtschaftsjahres des Abflusses der anderen Ausschüttung so zu ermitteln ist, als ob diese Ausschüttung nicht vorgekommen sei. Die Veränderung des Verrechnungsmodus in § 28 Abs. 2 S. 2 durch das Steuerentlastungsgesetz 1984 v. 22.12.1983 macht es erforderlich, von der Fiktion auszugehen, dass die im Laufe des Wirtschaftsjahres vorgenommene "andere Ausschüttung" noch Bestandteil des Eigenkapitals zum Schluss des Wirtschaftsjahres ist, weil andernfalls eine Verrechnung der "anderen Ausschüttung" mit diesem verwendbaren Eigenkapital nicht möglich wäre. Die Ausschüttung ist in dem verwendbaren Eigenkapital also noch enthalten, auch wenn sie tatsächlich (steuerbilanziell) wegen des Abflusses das Vermögen schon gemindert hat. Die Änderung des § 28 Abs. 2 machte deshalb eine Folgeänderung in § 29 Abs. 1 erforderlich, in der die Fiktion aufgestellt wird, dass Eigenkapital das in der Steuerbilanz ausgewiesene Betriebsvermögen ist, das sich "ohne Verringerung um die im Wirtschaftsjahr erfolgten Ausschüttungen ergeben würde, die nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhen". Die Gliederungsrechnung weicht daher in diesem Umfang vom Eigenkapital nach der Steuerbilanz ab (vgl. hierzu eingehend § 29 Rz. 27).
Die weitere Folge dieser Regelung ist, dass in der Gliederungsrechnung des Jahres des Abflusses der anderen Ausschüttung zuerst die Zugänge an verwendbarem Eigenkapital erfasst werden, und danach erst die ausschüttungsbedingten Abgänge. Erhöht die andere Ausschüttung das Einkommen und entstehen damit Zugänge zum verwendbaren Eigenkapital (wie es bei der verdeckten Gewinnausschüttung der Fall ist), stehen diese Eigenkapitalzugänge für die Finanzierung der anderen Ausschüttung zur Verfügung; es wird damit das Risiko gemildert, dass die andere Ausschüttung wegen Fehlens von belastetem verwendbaren Eigenkapital aus nicht belastetem Eigenkapital oder nach § 35 finanziert werden muss. Bis zur Neuregelung ab Vz 1984 wurde — dem tatsächlichen Zeitablauf entsprechend — zuerst der Abgang durch die andere Ausschüttung, danach der einkommensabhängige Zugang verrechnet; der Zugang des Ausschüttungsjahres stand also nicht für die Finanzierung der Ausschüttung zur Verfügung. Dadurch konnte es zu einer Kumulierung von Tarif- und Ausschüttungbelastung kommen, die bis zu einer Steuerbelastung von 112,25 % der anderen Ausschüttung führen konnte (vgl. zum früheren Recht Rz. 32ff.).