Prof. Dr. Gerrit Frotscher
4.1 Allgemeines
Rz. 37
In zeitlicher Hinsicht sind bei der Ermittlung der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen im Rahmen des Anrechnungsverfahrens zwei Entscheidungen zu treffen:
- Es ist zu bestimmen, aus dem verwendbaren Eigenkapital auf den Schluss welchen Wirtschaftsjahres die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen zu errechnen sind; dies ergibt sich aus § 28 Abs. 2.
- Steht fest, welches verwendbare Eigenkapital maßgebend ist, ist zu bestimmen, aus welchen Teilbeträgen dieses verwendbaren Eigenkapitals die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen abzuleiten sind; dies regelt § 28 Abs. 3.
§ 28 Abs. 3 regelt also, aus welchen Teilbeträgen eines in zeitlicher Hinsicht bestimmten verwendbaren Eigenkapitals die ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen ermittelt werden, wenn mehrere belastete oder unbelastete Teilbeträge zur Verfügung stehen. Diese Entscheidung ist wesentlich, da die Höhe der Körperschaftsteuererhöhungen oder -minderungen unmittelbar davon abhängt, aus welchen Teilbeträgen sie errechnet werden.
Zusätzlich ist zu entscheiden, ob die einmal durchgeführte Finanzierung geändert werden soll, wenn sich die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals ändern. Dazu enthalten Abs. 4 und 5 in gewissem Umfang eine Festschreibung der Verwendungsreihenfolge (zur Festschreibung der Verwendungsreihenfolge im Sonderfall des Abs. 7 vgl. Rz. 52ff.).
Rz. 37a
In Anlehnung an die Ausschüttungspraxis der Gesellschaften und die gesellschaftsrechtlichen Regelungen hätte es nahe gelegen, das zur Ausschüttung verwendete Eigenkapital in erster Linie nach zeitlichen Merkmalen zu bestimmen. Hiernach wäre der Gewinn des letzten Wirtschaftsjahres als zuerst ausgeschüttet anzusehen, danach der Gewinn des vorangegangenen Wirtschaftsjahres usw. Für die betreffenden Wirtschaftsjahre müssten dann die unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten Gewinnteile anteilig als ausgeschüttet behandelt werden. Eine solche Regelung wäre aber sehr kompliziert gewesen, da dann die sachliche Gliederung des Eigenkapitals nach der Höhe der Belastung nicht ausgereicht hätte; es hätte, für jeden Teilbetrag, eine Gliederung in zeitlicher Hinsicht — aus welchem Wirtschaftsjahr stammen die jeweiligen Beträge? — hinzukommen müssen. Um diese Komplizierung zu vermeiden, löst sich die Vorschrift völlig von zeitlichen Gesichtspunkten. Eine Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals nach dem Entstehungsjahr wird dadurch überflüssig.
4.2 Die Verwendungsreihenfolge (Verwendungsfiktion)
Rz. 38
Nach Abs. 3 Satz 1 i. d. F. bis Vz 1993 gelten belastete Teilbeträge in der Reihenfolge als für eine Ausschüttung verwendet, in der ihre Tarifbelastung abnimmt; für den nichtbelasteten Teilbetrag ist nach Satz 2 die in § 30 Abs. 2 bezeichnete Reihenfolge seiner Unterteilung maßgebend. Nach der ab Vz 1994 geltenden Fassung des Abs. 3 Satz 1 ist für die Verwendung des belasteten und des nicht belasteten Eigenkapitals die in § 30 bezeichnete Reihenfolge maßgebend. Diese Änderung der Formulierung bedeutet keine sachliche Änderung. Auch die Reihenfolge in § 30 Abs. 1 ist nach abnehmender Tarifbelastung gestaltet; hinsichtlich der Reihenfolge des EK 0 ist es bei der Reihenfolge des Abs. 2 geblieben. Übertragen auf das in Rz. 8 dargestellte Gliederungsschema bedeutet dies, dass bei Ausschüttungen die Teilbeträge in der Reihenfolge "von oben nach unten" als verwendet gelten. Die Ausschüttung ist also zuerst mit dem am höchsten belasteten Teilbetrag zu verrechnen. Erst wenn dieser Teilbetrag vollständig verbraucht ist, wird die Verrechnung mit dem ihm folgenden Teilbetrag fortgesetzt usw. Liegt zwischen zwei positiven Teilbeträgen (z. B. EK 40 und EK 03) ein negativer Teilbetrag (z. B. EK 02), wird der negative Teilbetrag übersprungen und die Verrechnung mit dem nächsten positiven Teilbetrag fortgesetzt. In der Gliederungsrechnung bedeutet ein negativer Teilbetrag also keine Ausschüttungssperre, wohl aber u. U. bilanziell, wenn insgesamt nicht genügend Eigenkapital für eine Ausschüttung zur Verfügung steht.
Die Verwendungsreihenfolge knüpft an die gesonderte Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals nach § 47 an. Das verwendbare Eigenkapital ist also nach Abs. 3 so zu verwenden, wie es auf den maßgebenden Zeitpunkt nach § 47 gesondert festgestellt worden ist.
Die in Abs. 3 vorgesehene Reihenfolge der Verwendung ist zwingend; sie kann nicht durch einen Antrag abweichend gestaltet werden. Sie gilt für alle Leistungen einer Anrechnungskörperschaft, die in das Anrechnungsverfahren einbezogen sind, also sowohl für die Gewinnausschüttungen des § 27 Abs. 1 als auch für die sonstigen Leistungen nach § 41.
Rz. 38a
Abweichend von dieser Verwendungsreihenfolge bestehen folgende Sonderregelungen:
- für von Anfang an nicht ausreichendes verwendbares Eigenkapital (vgl. § 35 Abs. 2);
- für infolge nachträglicher Änderungen nicht ausreichendes verwendbares Eigenkapital ab Vz 1994 (vgl. § 28 Abs. 4; Rz. 42b);
- für die Festschreibung der ursprünglichen Verwendungsreihenfolge bei Verwendung von EK 01 ab Vz 1994 (vgl. § 28 ...