Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 43
Von dem Grundsatz, dass sich die Verwendungsreihenfolge grundsätzlich an Änderungen der Gliederungsrechnung anzupassen hat, sind Ausnahmen erforderlich; in diesen Fällen bleibt die Verwendungsreihenfolge unverändert, sie wird "festgeschrieben". Neben den Fällen des Abs. 4, nach dem eine Festschreibung bei Finanzierung aus belastetem Eigenkapital eintritt, enthält Abs. 5 eine Festschreibung der Verwendung bei Finanzierung der Ausschüttung aus dem EK 01.
Nach Abs. 5 tritt eine Festschreibung der Verwendungsreihenfolge ein, wenn die Anrechnungskörperschaft die Finanzierung der Ausschüttung aus EK 01 nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 in der Steuerbescheinigung nach den §§ 44, 45 bescheinigt hat. Für das In-Kraft-Treten dieser Festschreibung der Verwendungsreihenfolge gilt § 54 Abs. 10a i. d. F. des Gesetzes vom 21.12.1993, BStBl I 1994, 50. Die Regelung des Abs. 5 ist anzuwenden, soweit es sich um offene Ausschüttungen handelt, wenn die Ausschüttung in einem nach dem 31.12.1993 endenden Wirtschaftsjahr erfolgt, soweit es sich um andere Ausschüttungen handelt, wenn die Ausschüttung in dem letzten vor dem 1.1.1994 endenden, oder einem späteren Wirtschaftsjahr, erfolgt (zu Einzelheiten der Übergangsregelung vgl. § 27 Rz. 80). Abs. 5 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige aufgrund des § 54 Abs. 10a dafür optiert, die Neuregelung (d. h. Senkung der Ausschüttungsbelastung, keine Körperschaftsteuererhöhung aus dem EK 01) noch nicht anzuwenden (vgl. § 27 Rz. 80). Die Regelung des zeitlichen Anwendungsbereichs des Abs. 5 ist sachgemäß; soweit für Ausschüttungen aus dem EK 01 bereits die Regelung anzuwenden ist, dass keine Körperschaftsteuererhöhung eintritt, muss auch die Festschreibung der Verwendungsreihenfolge nach Abs. 5 erfolgen.
Rz. 43a
Ausschüttungen aus dem EK 01 werden bei den Anteilseignern anders behandelt als die aus anderem Eigenkapital (vgl. § 30 Rz. 121b); sie gehören zu den steuerpflichtigen Einnahmen, gewähren aber keine Anrechnung. Ausschüttungen aus anderem Eigenkapital (mit Ausnahme des EK 04) gehören dagegen zu den steuerpflichtigen Einnahmen und gewähren die Anrechnung. Diese Rechtsfolgen können korrekt bei dem Anteilseigner nur auf der Grundlage der Steuerbescheinigung gezogen werden. Ändert sich die Gliederungsrechnung, nachdem die Finanzierung der Ausschüttung aus dem EK 01 bescheinigt ist, weil die Änderung z. B. zu vorrangig zu verwendendem belasteten Eigenkapital führt, kann eine Anrechnung der Ausschüttungsbelastung nur erreicht werden, wenn die Steuerbescheinigung eingezogen und durch eine neue ersetzt wird. Da dies bei Publikumsgesellschaften praktisch kaum möglich ist, geht das Gesetz einen anderen Weg. Es bestimmt, dass die ursprünglich bescheinigte Verwendungsreihenfolge trotz des vorhandenen vorrangig zu verwendenden Eigenkapitals beibehalten wird. Das belastete Eigenkapital bleibt damit für spätere Ausschüttungen verfügbar. Die Vorschrift korrespondiert sachlich mit Abs. 4, der den umgekehrten Fall (Bescheinigung der Verwendung belasteten Eigenkapitals bei späterem Wegfall dieses belasteten Eigenkapitals) regelt (vgl. Rz. 42b).
Die Wirkungen des Abs. 5 treten auch ein, wenn EK 01 wegfällt, aus dem die Ausschüttung finanziert wurde. Ohne die Regelung des Abs. 5 erfolgte dann eine Finanzierung aus EK 02, EK 03 und/oder EK 04, letztlich nach § 35, die bei dem Anteilseigner zu abweichenden Rechtsfolgen führen würde. Durch die Festschreibung der Verwendung des EK 01 trotz des Fortfalls dieses Eigenkapitalteils wird das EK 01 insoweit negativ.
Rz. 43b
In zeitlicher Hinsicht tritt die Festschreibung der Ausschüttungsreihenfolge nach Abs. 5 in dem Zeitpunkt ein, in dem die Steuerbescheinigung mit der Verwendung des EK 01 erstellt und dem Anteilsinhaber ausgehändigt ist. Es genügt, dass nur ein Teil der Steuerbescheinigungen in diesem Sinne erteilt ist, da sich die Verwendung nur für einen Teil der Anteilseigner nicht mehr ändern lässt. War die Steuerbescheinigung noch nicht erteilt, tritt keine Festschreibung der Verwendungsreihenfolge ein, da dann noch Steuerbescheinigungen aufgrund der neuen Verwendungsreihenfolge ausgestellt werden können (vgl. Rz. 42e).
Die Rechtsfolgen des Abs. 5 sind zwingend, d. h. die Festschreibung der Verwendungsreihenfolge tritt ein, wenn der Tatbestand der Vorschrift vorliegt. Auch wenn die Anrechnungskörperschaft die Steuerbescheinigungen einziehen und durch neue ersetzen könnte (z. B. bei Gesellschaften mit wenigen Gesellschaftern bzw. Ein- Mann-Gesellschaften), steht es nicht in der Wahl der Anrechnungskörperschaft bzw. der Anteilseigner, Abs. 5 anzuwenden oder nicht; die Festschreibung der Verwendungsreihenfolge tritt auf jeden Fall ein.
Rz. 43c
Die Festschreibung der Verwendung betrifft das gesamte für die Ausschüttung verwendete EK 01, und zwar unabhängig davon, ob der Anteilseigner anrechnungsberechtigt oder nicht anrechnungsberechtigt ist. Die Ansicht des BFH (v. 21.4.1999, I R 5/98, BStBl II 1999, 417, BFH/NV 1999, 1170) zu Abs. 7, dass nur eine anteilige Festschr...