Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 35a
Ein ähnliches Problem wie bei der nicht abgeflossenen verdeckten Gewinnausschüttung ergibt sich bei der nicht abgeflossenen offenen Gewinnausschüttung. Beruht eine Gewinnausschüttung auf einem ordnungsgemäßen Gewinnverwendungsbeschluss für ein abgelaufenes Geschäftsjahr, wird aber (noch) nicht ausgezahlt, so entsteht eine Ausschüttungsverbindlichkeit, die in der Handelsbilanz und auf Grund der Maßgeblichkeit auch in der Steuerbilanz auf Stichtage nach der Fassung des Ausschüttungsbeschlusses zu passivieren ist. In der Handels- und Steuerbilanz bildet diese Ausschüttungsverbindlichkeit Fremdkapital.
Im Wirtschaftsjahr 02 wird eine Ausschüttung von 70.000 für das Wirtschaftsjahr 01 beschlossen. Die Ausschüttung erfolgt erst im Wirtschaftsjahr 04.
In der Bilanz zum 31.12.01 ist noch keine Ausschüttungsverbindlichkeit auszuweisen, da der Ausschüttungsbeschluss zum maßgebenden Stichtag 31.12.01 noch nicht gefasst war. Zu den Stichtagen 31.12.02 und 31.12.03 ist jedoch eine Ausschüttungsverbindlichkeit in Handels- und Steuerbilanz zu passivieren.
Anders als für die nicht abgeflossene verdeckte Gewinnausschüttung enthält das Gesetz für diese Fälle keine ausdrückliche Regelung.
Auszugehen ist davon, dass die Gewinnausschüttung das verwendbare Eigenkapital erst bei ihrem Abfluss mindert (vgl. § 30 Rz. 204). Zum Schluss desjenigen Jahres, für das die Ausschüttung erfolgt, kann daher das verwendbare Eigenkapital noch nicht gemindert sein. Da auch bilanzrechtlich keine Minderung durch die Passivierung der Ausschüttungsverbindlichkeit eingetreten ist, stimmen Bilanz und Gliederungsrechnung überein.
In der Gliederungsrechnung darf aber die Ausschüttung das verwendbare Eigenkapital auch zu den folgenden Stichtagen nicht mindern, da insoweit noch kein Abfluss erfolgt ist. Das Prinzip, dass nur ein Abfluss zu einer Verminderung des verwendbaren Eigenkapitals führt, hat damit für diese Stichtage eine Abweichung der Gliederungsrechnung von der Handels- und Steuerbilanz zur Folge. An sich müsste diese Abweichung nach § 29 Abs. 1 durch einen Anpassungsposten (Abzug im EK 02) korrigiert werden. Dies hätte aber aus systematischer Sicht keinen Sinn. Es ist vielmehr die Regelung für die nicht abgeflossene verdeckte Gewinnausschüttung analog anzuwenden; es muss eine Lücke im Gesetz angenommen werden, die durch die entsprechende Anwendung des § 29 Abs. 1 Halbsatz 2 zu schließen ist. Die Differenz ist daher bis zum Abfluss der Gewinnausschüttung fortzuführen und nicht durch einen Anpassungsposten auszugleichen.