Prof. Dr. Gerrit Frotscher
1.4.1 Wesen der Gliederung
Rz. 9c
Die Gliederungsrechnung stellt eine von der Gewinnermittlung zu unterscheidende Sonderrechnung dar, deren Zweck darin besteht, die Grundlage für das Herstellen der Ausschüttungsbelastung abzugeben. Die Gliederungsrechnung schlägt sich also nicht im Buchführungswerk der zur Gliederung verpflichteten Körperschaft nieder; sie berührt weder die Gewinn- und Verlustrechnung, noch die Handels- und Steuerbilanz. Sie hat also keine materielle, sondern nur formelle Bedeutung in dem Sinn, daß sie das Eigenkapital (und damit Gewinn und Verlust der Körperschaft) nicht beeinflußt, sondern das vorhandene Eigenkapital nur nach bestimmten Kriterien einteilt und gliedert.
Obwohl die Gliederung kein Bestandteil der Buchführung ist, beruht sie letztlich auf dem Buchführungswerk, weil das verwendbare Eigenkapital im Sinne des § 29 aus dem Betriebsvermögen der Steuerbilanz abzuleiten ist. Die Summe der Teilbeträge des § 30 muß somit mit der Summe der in der Steuerbilanz ausgewiesenen Rücklagen, Gewinnvorträge und Gewinne, vermindert um die Summe der in der Steuerbilanz ausgewiesenen Verlustvorträge und Verluste, übereinstimmen. Dementsprechend stimmen die Zugänge mit den Vermögensmehrungen der Steuerbilanz (Steuerbilanzgewinne, nicht zu Nennkapital führende Gesellschaftereinlagen), die Abgänge mit den Vermögensminderungen der Steuerbilanz (Steuerbilanzverluste, Ausschüttungen, sonstige Leistungen) überein.
1.4.2 Zusammenhang der Gliederung ("Gliederungs-Kontinuität")
1.4.2.1 Grundsatz
Rz. 10
Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 ist das verwendbare Eigenkapital zum Schluß eines jeden Wirtschaftsjahres entsprechend seiner Tarifbelastung zu gliedern. Dabei sind nach Satz 2 die Teilbeträge jeweils aus der Gliederung des vorangegangenen Wirtschaftsjahres abzuleiten. Auch wenn sich hieraus praktisch eine Bindung an die Ansätze der Vorjahresgliederung ergibt, bildet diese Vorschrift keine formelle Bindung der Gliederungsrechnung eines Jahres an die Gliederungsrechnung des Vorjahres. Diese formelle Bindung enthält § 47 Abs. 1 S. 2, der bestimmt, daß der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals Grundlagenbescheid für die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt ist (vgl. § 47 Rz. 16). Damit ist formell und rechtlich bindend ein Zusammenhang zwischen der Gliederungsrechnung, der Gliederungsrechnung des Vorjahres und der Gliederungsrechnung des Folgejahres geschaffen.
Hierdurch wird sichergestellt, daß ein dem allgemeinen Bilanzzusammenhang entsprechender Zusammenhang der Gliederung entsteht, der sich sowohl auf das gesamte verwendbare Eigenkapital im Sinne des § 29 als auch auf jeden einzelnen Teilbetrag im Sinne des § 30 erstreckt. Dadurch, daß die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals nach § 47 gesondert festgestellt werden, werden sie bindend und bestandskräftig festgeschrieben mit der Folge, daß falsch entwickelte Teilbeträge grundsätzlich nur an der Fehlerquelle berichtigt werden können. Hierfür gelten die verfahrensrechtlichen Grundsätzen der Durchbrechung der Bestandskraft.
Es ist gleichgültig, ob der in der Gliederungsrechnung ausgewiesene Fehler auf einem aus dem Besteuerungsverfahren übernommenen Folgefehler beruht (z. B. falsche Einkommensermittlung, Anwendung eines falschen Steuersatzes) oder ob es sich um einen eigenständigen (originären) Fehler bei der Entwicklung der Gliederungsrechnung handelt (z. B. dem Grunde oder der Höhe nach unrichtiger Abzug von nichtabziehbaren Ausgaben). In beiden Fällen kann die Feststellung bestandkräftig werden und bildet dann die bindende Grundlage für die Fortentwicklung der Teilbeträge in der Gliederungsrechnung der Folgejahre. Ein Unterschied zwischen den beiden Fällen besteht nur insoweit, als bei einem originären Fehler in der Gliederungsrechnung eine Anpassung zu erfolgen hat, um das Eigenkapital nach der Gliederungsrechnung an die Steuerbilanz anzugleichen (vgl. Rz. 12, 149). Bei der Übernahme eines Fehlers aus der Steuerbilanz ist das weder möglich noch erforderlich, da sich Gliederungsrechnung und Steuerbilanz entsprechen.
Eine bestandskräftige, aber unrichtige Feststellung, deren Bestandskraft nicht mehr durchbrochen werden kann, bildet materiellrechtlich die Grundlage für die Ermittlung der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen der Folgejahre und führt damit zu einer materiell unrichtigen, formal aber richtigen Steuerfestsetzung.
Rz. 10a
Der Grundsatz der Gliederungskontinuität gilt unmittelbar für den jeweiligen Einzelbetrag des verwendbaren Eigenkapitals; er gilt mittelbar für den Gesamtbetrag des verwendbaren Eigenkapitals.
Nach § 30 Abs. 1 S. 2 sowie § 47 Abs. 1 Nr. 1 wird nicht das gesamte verwendbare Eigenkapital, sondern werden nur die jeweiligen Einzelbeträge gesondert festgestellt (vgl. § 47 Rz. 7). Dementsprechend erfaßt die Gliederungskontinuität unmittelbar nur die einzelnen Teilbeträge; der einzelne Teilbetrag ist bindend aus dem für das Vorjahr festgestellten entsprechenden Teilbetrag abzu...