Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 46
Im Gegensatz zu der sachlichen Reihenfolge, d. h. der Frage, in welcher Reihenfolge die einzelnen Teilbeträge anzusprechen sind, ist die zeitliche Reihenfolge der Veränderungen der Teilbeträge nicht ausdrücklich geregelt. Unter "zeitlicher Reihenfolge" wird die Reihenfolge verstanden, in der die einzelnen Veränderungen, sei es im gleichen Teilbetrag, sei es in verschiedenen Teilbeträgen, bei Aufstellen der Gliederungsrechnung zu berücksichtigen sind.
Für die praktisch am häufigsten vorkommenden Sachverhalte kann die zeitliche Reihenfolge aus dem Gesetz erschlossen werden. In anderen Fällen besteht dagegen ein ungeregelter Rechtszustand; das ist bedenklich, da die zeitliche Reihenfolge der Berücksichtigung der Veränderungen der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals materielle Auswirkungen auf die Höhe der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen haben kann. Das Fehlen einer umfassenden Regelung der zeitlichen Reihenfolge stellt einen konzeptionellen Mangel des Anrechnungsverfahrens dar.
Rz. 47
Gewinnausschüttungen sind nach § 28 Abs. 2 gegen das verwendbare Eigenkapital zum Schluß des Wirtschaftsjahres zu verrechnen, das vor dem Gewinnverteilungsbeschluß endet bzw. zum Schluß des Ausschüttungsjahres. Damit ist geregelt, daß die Gewinnausschüttung gegen das zum Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres festgestellte verwendbare Eigenkapital zu verrechnen ist. Alle anderen Veränderungen des verwendbaren Eigenkapitals dieses Wirtschaftsjahres sind daher vor den ausschüttungsbedingten Abgängen zu berücksichtigen.
Auch für die Verrechnung der nicht abziehbaren Ausgaben läßt sich aus dem Gesetz in ähnlicher Weise eine Verrechnungsreihenfolge ableiten. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 ist die Körperschaftsteuer von dem Teilbetrag abzuziehen, der ihr unterliegt. Da die Körperschaftsteuer immer auf Einkommenszugänge entfällt, läßt sich hieraus schließen, daß die Körperschaftsteuer nach den entsprechenden Zugängen abzuziehen ist. Aus § 31 Abs. 2 läßt sich für die übrigen nicht abziehbaren Ausgaben schließen, daß sie ebenfalls nach den Zugängen zu verrechnen sind, da sie erst bei Fehlen von belastetem Eigenkapital im Wirtschaftsjahr vorzutragen sind; ob belastetes Eigenkapital fehlt, läßt sich aber erst nach den Zugängen ermitteln.
Rz. 48
Keinen ausdrücklichen Anhaltspunkt für die zeitliche Reihenfolge enthält das Gesetz aber in anderen Fällen, z. B. bei der Umgliederung bei Erlaß (vgl. § 34 Rz. 6ff.), bei Vermögensübernahme (vgl. § 38 Rz. 23) und bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (vgl. § 41 Rz. 33). Hier läßt sich eine sinnvolle zeitliche Reihenfolge nur aus der Anwendung der Prinzipien des Anrechnungsverfahrens auf den einzelnen Fall ableiten.