Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 191
Auskehrungen aus dem EK 04 führen im Anrechnungsverfahren auf der Ebene der Anrechnungskörperschaft nicht zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung und damit zu Körperschaftsteuererhöhungen. Diese Auskehrungen sind bei dem Anteilseigner steuerfrei, soweit sie im Privatvermögen anfallen, ohne daß eine wesentliche Beteiligung bzw., wenn sie eine wesentliche Beteiligung bilden oder im Betriebsvermögen gehalten werden, soweit sie von den Anschaffungskosten gekürzt werden können (vgl. § 40 Rz. 12f). Dieser Umstand hat dazu geführt, daß das EK 04 in stärkerem Maße, als dies bei anderen Teilbeträgen der Fall ist, in Steuergestaltungsüberlegungen einbezogen worden ist. Zu diesen Steuergestaltungen gehören:
- Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren (vgl. Vor § 27 Rz. 115ff.);
- Leg-ein-hol-zurück-Verfahren (vgl. hierzu Vor § 27 Rz. 152ff.).
Rz. 192
Eine weitere Steuergestaltung ist unter der Bezeichnung "Einlage nicht werthaltiger Forderungen" bekanntgeworden. Der BFH hat die Frage der steuerlichen Behandlung des Verzichts auf nicht werthaltige Gesellschafterforderungen dem Großen Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Der Diskussion um die Einlage nicht werthaltiger Forderungen liegt folgende Gestaltung zugrunde: Ein Gesellschafter hat Forderungen gegen seine Kapitalgesellschaft, die wegen Überschuldung der Kapitalgesellschaft wertlos sind. Er erläßt diese Forderungen, ohne daß hierin eine Sanierung zu sehen ist; es handelt sich dann um eine gesellschaftsrechtliche Einlage.
Hielte der Gesellschafter die Beteiligung im Betriebsvermögen, hätte er seine Forderung auf den niedrigeren Teilwert abzuschreiben und damit steuerlich einen Verlust realisiert. Der Erlaß der Forderung führt zur Hinzuaktivierung auf dem Beteiligungskonto mit dem Buchwert der Forderung, der wegen der Teilwertabschreibung gemindert oder 0 ist. Bei der Kapitalgesellschaft führt der Erlaß zwar zu einem Gewinn, der aber, da aus einer Einlage stammend, nicht steuerbar ist; der Erlaßbetrag in Höhe des Nominalwertes der Forderung wird in das EK 04 eingestellt. Schüttet die Kapitalgesellschaft nun später das EK 04 aus, führt dies nicht zur Körperschaftsteuererhöhung; bei dem Anteilseigner bleibt die Auskehrung steuerfrei, soweit der Beteiligungsansatz entsprechend gemindert werden kann. Dem Anteilseigner verbleibt der Vorteil aus der Teilwertabschreibung der Forderung, obwohl er den wirtschaftlichen Wert der Forderung letztlich durch die Auskehrung realisiert hat. Der Ausgleich wird erst bei Veräußerung der Kapitalbeteiligung bzw. Liquidation der Kapitalgesellschaft hergestellt, wenn wegen des geringeren Beteiligungsansatzes der Veräußerungs- bzw. Liquidationsgewinn höher ausfällt.
Der Große Senat hat diese Frage dahingehend entschieden, daß die Körperschaft zwar die erlassene Forderung mit dem Nennwert auszubuchen hat, daß bei ihr aber nur derjenige Betrag dieser Vermögensmehrung als Einlage zu behandeln ist, der dem tatsächlichen Wert der Forderung (dem werthaltigen Teil) entsprach. Nur dieser Betrag ist in das EK 04 einzustellen. Die Vermögensmehrung durch den nicht werthaltigen Teil ist steuerpflichtiger Ertrag und daher mit der Tarifbelastung belastet (vgl. § 8 Rz. 101ff.).
Rz. 193
Eine weitere Steuergestaltungsmöglichkeit kann sich ergeben, indem versucht wird, einen künftigen steuerpflichtigen Zufluß von der Körperschaft durch Erlaß in steuerfreie Auskehrungen aus dem EK 04 umzuwandeln. Dazu wird folgendes Modell vorgeschlagen: Ein Gesellschafter-Geschäftsführer verzichtet kurz vor der Pensionierung auf seine Pensionsansprüche. Dadurch entsteht bei der Anrechnungskörperschaft in Höhe der Pensionsrückstellung ein EK 04. Nach Eintritt der Pensionierung werden Ausschüttungen an den Gesellschafter aus dem EK 04 geleistet, die bei ihm steuerfrei sind, während Pensionszahlungen steuerpflichtig wären.
Auch diese Frage ist durch BFH v. 27.7.1994 (I R 23/93, I R 58/93, I R 103/93, BStBl II 1995, 27) dem großen Senat zur Entscheidung vorgelegt worden, nachdem BFH v. 19.5.1993 (I R 34/92, BStBl II 1993, 804) in dem Verzicht auf die Pensionsanwartschaft noch keinen steuerpflichtigen Zufluß bei dem Gesellschafter gesehen hatte. Der Große Senat hat diese Frage dahin entschieden, daß in dem Verzicht auf die Pensionsanwartschaft ein Zufluß bei dem Gesellschafter vorliegt, soweit in dem Verzicht eine verdeckte Einlage liegt (vgl. § 8 Rz. 101a). Bei dem Gesellschafter führt der Verzicht daher zu einem steuerpflichtigen Zufluß. Bei der Körperschaft handelt es sich um eine Einlage, die in das EK 04 einzustellen ist. Wegen der sofortigen Besteuerung auf der Ebene des Gesellschafters ist der Verzicht auf eine Pensionsanwartschaft daher als Steuersparmodell nicht geeignet.
Rz. 194 - 199
einstweilen frei