Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 33
Geht das Vermögen einer Anrechnungskörperschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2; vgl. § 30 Rz. 12—13, § 43) auf eine unbeschränkt steuerpflichtige, aber steuerbefreite, zur Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals verpflichtete Körperschaft (also im wesentlichen auf eine Kapitalgesellschaft oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über, so können die Regelungen, die für das Verhältnis zweier steuerpflichtiger Anrechnungskörperschaften gelten, keine Anwendung finden; eine steuerbefreite Körperschaft kann ihren Anteilseignern die auf den Teilbeträgen des von der übertragenden Körperschaft übernommenen verwendbaren Eigenkapitals lastende Körperschaftsteuer nicht im Wege der Anrechnung vermitteln. Diese Fallgestaltung kommt immer dann in Betracht, wenn die übernehmende Körperschaft nach § 5 von der Körperschaftsteuer befreit ist, trotzdem aber zur Gliederung ihres verwendbaren Eigenkapitals verpflichtet ist (so z. B. alle steuerbefreiten Körperschaften, die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft betrieben werden).
Nach der gesetzlichen Regelung sollen alle Ausschüttungen, die an einen Anteilseigner erfolgen, sei er unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig, persönlich steuerpflichtig oder steuerbefreit, mit der Ausschüttungsbelastung belastet werden. Entsprechend sollen auch Ausschüttungen von einer steuerbefreiten Körperschaft nur belastet mit der Ausschüttungsbelastung an den
Anteilsinhaber gelangen. Dem trägt § 5 Abs. 2 Nr. 2 Rechnung, indem insoweit die Steuerfreiheit eingeschränkt wird.
Rz. 34
Diesen Grundsätzen entsprechend enthält § 42 Abs. 1 die Regelung, daß ein Übergang des Vermögens einer Anrechnungskörperschaft auf eine steuerbefreite Kapitalgesellschaft, Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaft sowie eine sonstige Anrechnungskörperschaft (vgl. § 43) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge bei der übertragenden Körperschaft dazu führt, daß für alle Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals mit Ausnahme des EK 04 (vgl. § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 40 Nr. 2) und des EK 03 (vgl. § 42 Abs. 2 Nr. 2, § 42 Rz. 3) die Ausschüttungsbelastung hergestellt wird. Soweit EK 01 betroffen ist, entfällt das Herstellen der Ausschüttungsbelastung schon nach § 40 Nr. 1.
Die Vermögensübertragung wird damit als ausschüttungsähnlicher Vorgang behandelt. Dementsprechend ordnet § 38 Abs. 2 für die Gliederungsrechnung der übernehmenden Körperschaft an, daß das übergegangene, jetzt mit der Ausschüttungsbelastung belastete verwendbare Eigenkapital der übertragenden Körperschaft in das EK 02 der übernehmenden Körperschaft einzustellen ist; dies ist gerechtfertigt, da die übernehmende Körperschaft infolge ihrer Steuerbefreiung nur steuerfreie Vermögensmehrungen ausweisen kann. Die von der übertragenden Körperschaft entrichtete Ausschüttungsbelastung wird damit definitiv, da die übernehmende Körperschaft nach § 51 nicht zur Anrechnung berechtigt ist. Die übernommenen Teilbeträge des Eigenkapitals können bei ihr auch nicht in das EK 30 eingestellt werden, da die Ausschüttungsbelastung nicht von ihr, sondern der übertragenden Körperschaft getragen worden ist. Diese Regelung hat zur Folge, daß EK 03, dessen Ausschüttungsbelastung bei nicht anrechnungsberechtigten Anteilseignern vergütungsfähig ist, und EK 01 sowie EK 04, bei denen keine Ausschüttungsbelastung herzustellen ist, im Zuge der Verschmelzung in EK 02 umzuqualifizieren ist. Bei Ausschüttung ist daher in jedem Fall die Ausschüttungsbelastung herzustellen, eine Vergütungsmöglichkeit besteht nicht. Es ist daher zu raten, vor der Verschmelzung in steueroptimaler Weise Ausschüttungen vorzunehmen. Eine Einstellung zumindest des EK 04 der übertragenden Körperschaft in EK 04 der übernehmenden Körperschaft im Billigkeitswege kommt angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht in Betracht.