1 Einführung

1.1 Systematische Grundlagen

 

Rz. 1

§ 38 ist eine Vorschrift des 4. Teils des KStG, der die Regelungen für das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren enthält. Die Vorschrift regelt die Folgen einer Verschmelzung für das Anrechnungsverfahren. Sie steht damit zwischen § 30 KStG und § 11 UmwStG. Während § 30 KStG die Gliederung des Eigenkapitals in den Normalfällen regelt, erfaßt § 38 die Gliederung im Falle der Verschmelzung und ist daher lex specialis zu § 30. Andererseits ergänzt die Vorschrift § 11 UmwStG; während dort die allgemeinen steuerlichen Folgen der Verschmelzung geregelt sind, erfaßt § 38 KStG die besonderen Wirkungen der Verschmelzung auf das verwendbare Eigenkapital. § 38 ist also auch lex specialis zu § 11 UmwStG. Konkret folgt aus dieser Stellung des § 38 als lex specialis, daß für eine im Zuge der Verschmelzung neu entstandene Anrechnungskörperschaft (Verschmelzung durch Neugründung) der § 38 der Regelung des § 30 Abs. 3 vorgeht. Nach § 30 Abs. 3 kann eine neu gegründete Anrechnungskörperschaft nur EK 04 haben. Nach § 38 können jedoch für die im Wege der Verschmelzung neu entstehenden Anrechnungskörperschaften durch die Zusammenrechnung (Übertragung) der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals auch andere EK-Teile entstehen (vgl. Dötsch/Eversberg/Jost/Witt. KStG, § 38 Anm. 11). § 30 Abs. 3 enthält einen entsprechenden ausdrücklichen Vorbehalt.

 

Rz. 2

Geht das Vermögen einer Anrechnungskörperschaft (Kapitalgesellschaft, Körperschaft nach § 43) im Wege der Verschmelzung durch Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere Anrechnungskörperschaft über, handelt es sich um einen Vorgang, der auf gesellschaftsrechtlicher Ebene liegt; es handelt sich um einen organisations­rechtlichen, nicht um einen schuldrechtlichen, betrieblichen Vorgang. Dieser ge­sellschaftsrechtliche Vorgang weist in seiner Struktur keine Ähnlichkeit mit einer Ausschüttung auf. Den Anteilseignern fließt kein Vermögen der Anrechnungskörperschaft zu, eine Behandlung als Ausschüttung scheidet daher aus.

Da sich der Vermögensübergang von einer Anrechnungskörperschaft auf eine Anrechnungskörperschaft abspielt, verbleibt das Vermögen und die anrechenbare Körperschaftsteuer im Bereich des Anrechnungsverfahrens. Die Systematik des Anrechnungsverfahrens erfordert das Eingreifen der Anrechnungsregelungen nicht; das ist erst erforderlich, wenn Vermögen den Bereich des Anrechnungsverfahrens verläßt. Es ist also nicht erforderlich, den Vorgang (fiktiv) als ausschüttungsähnlichen Vorgang zu behandeln[1]. Notwendig sind lediglich Vorschriften über die Berechnung des verwendbaren Eigenkapitals bei der aufnehmenden Körperschaft; diese Regelung enthält § 38 (zur Wirkung dieser Regelung auf die Steuerbelastung vgl. Rz. 17).

 

Rz. 3

Dem § 38 entsprechende Vorschriften für die Spaltung enthält § 38a, für die Sonderfälle des Vermögensübergangs § 38b. Geht das Vermögen durch Umwandlung von einer Anrechnungskörperschaft auf eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person über, tritt eine besondere Anrechnung der Körperschaftsteuer ein; die entsprechenden Regelungen sind in § 10 UmwStG enthalten.

[1] Wie etwa in § 10 UmwStG.

1.2 Rechtsentwicklung

 

Rz. 4

§ 38 enthielt seit der KSt-Reform die Regelung des verwendbaren Eigenkapitals bei Vermögensübernahme; zum Inhalt dieser Regelung vgl. Anm. 6. Die Vorschrift galt nicht nur für die Verschmelzung, sondern für alle Fälle des Vermögensübergangs durch Gesamtrechtsnachfolge.

Durch das Gesetz zur Änderung des Umwandlungssteuergesetzes vom 28.10.1994[1] ist § 38 neu gefaßt worden. Der sachliche Geltungsbereich der Vorschrift wurde auf Verschmelzungen beschränkt. Die Neuregelung enthält nach wie vor das Prinzip der Zusammenrechnung der verwendbaren Eigenkapitalteile der übertragenden und der übernehmenden Körperschaft, wurde jedoch um eine Regelung der Anpassung im Bereich des Nennkapitals erweitert. Neu ist auch die Regelung der Behandlung der Differenzbeträge, wenn die Summe der zusammengerechneten Eigenkapitalteile von dem verwendbaren Eigenkapital nach der Steuerbilanz abweicht. In der Neuregelung ist die erforderliche Korrektur im EK 04 vorzunehmen; nach der bisherigen Regelung waren der überschießende Betrag vom EK 0 (also EK 01—EK 04) abzuziehen, aber nur in Höhe der positiven Beträge; dadurch nicht ausgeglichene Beträge wurden vorgetragen. Die Neuregelung vermeidet den Vortrag und dient daher der Vereinfachung.

 

Rz. 5

Die Neuregelung ist nach § 54 Abs. 12 erstmals auf den Übergang von Vermögen anzuwenden, der auf Rechtsakten beruht, die nach dem 31.12.1994 wirksam werden. Da die handelsrechtliche Wirksamkeit mit Eintragung im Handelsregister eintritt, gilt die Neuregelung also für Verschmelzungen, die nach dem 31.12.1994 in das Handelsregister eingetragen werden. Da steuerlich eine Rückwirkung bis zu 8 Monaten eintritt, kann die Neuregelung auch schon auf Vorgänge anzuwenden sein, die sich mit steuerlicher Wirkung im Jahr 1994 abspielen.

Für die Übergangszeit vertritt die Finanzverwaltung eine einschränkende Interpreta­tion, um Kongruenz mit dem handelsrechtli...

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