Prof. Dr. Gerrit Frotscher
2.1 Inhalt der Vorschrift
Rz. 5
§ 41 enthält in Abs. 1 die grundsätzliche Regelung, welche Leistungen von Anrechnungskörperschaften außer den Gewinnausschüttungen in das Anrechnungsverfahren einbezogen werden. Die Regelung erfolgt in Form einer Generalklausel und technisch durch eine Verweisung auf § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG.
Die Abs. 2—4 knüpfen an die Generalklausel an und enthalten besondere Regelungen für die Durchführung des Anrechnungsverfahrens für bestimmte Leistungen, die durch Abs. 1 in das Anrechnungsverfahren einbezogen worden sind. Im strengen Sinne sind diese Absätze in § 41 systematisch falsch eingeordnet, da sie keine Vorschriften über die materielle Einbeziehung von Leistungen in das Anrechnungsverfahren sind, sondern Durchführungsvorschriften für das Anrechnungsverfahren.
Die Abs. 2 und 3 enthalten die für die Einbeziehung bestimmter Teile des Nennkapitals in das Anrechnungsverfahren notwendigen Regelungen. Abs. 4 regelt, wie das Anrechnungsverfahren im Fall der Auflösung und Liquidation der Anrechnungskörperschaft durchzuführen ist.
2.2 Persönlicher Anwendungsbereich
Rz. 6
§ 41 gilt für alle Anrechnungskörperschaften, d. h. für Kapitalgesellschaften nach § 27 Abs. 1 sowie für die weiteren, durch § 43 in das Anrechnungsverfahren einbezogenen Körperschaften. Das Gesetz bezieht seinem Wortlaut nach zwar nur Kapitalgesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ein, doch gilt auch für § 41 die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Anrechnungsverfahrens auf sonstige Anrechnungskörperschaften nach § 43 (vgl. § 27 Rz. 12 ff., § 43 Rz. 1 ff.).
2.3 Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG
Rz. 7
Für den Tatbestand, d. h. die Definition derjenigen Leistungen von Anrechnungskörperschaften, außer Gewinnausschüttungen, die in das Anrechnungsverfahren einbezogen werden, verweist § 41 Abs. 1 auf § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG. Alle dort als Einnahmen aus Kapitalvermögen bezeichneten Einnahmen sind auf der Ebene der Anrechnungskörperschaft "sonstige Leistungen" i.S.d. § 41 Abs. 1 KStG, soweit es sich nicht um Gewinnausschüttungen handelt, und damit in das Anrechnungsverfahren einbezogen.
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfasst alle Bezüge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und sonstigen Anrechnungskörperschaften, die dem Anteilseigner auf Grund seines Mitgliedschaftsrechts zufließen (vgl. hierzu Seemann, in Frotscher, EStG, § 20 Rz. 19 ff.). Hierunter fallen alle Zuwendungen an den Anteilseigner auf Grund seines Anteilsrechts, die das Vermögen der Körperschaft mindern. Ausgeschlossen aus dem Regelungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind lediglich Auskehrungen auf Grund von Kapitalherabsetzung und Auflösung (hierzu Nr. 2) sowie solche Zuwendungen an den Anteilsinhaber, für die bei der Anrechnungskörperschaft EK 04 als verwendet gilt. Das EK 04 nimmt nicht am Anrechnungsverfahren teil (vgl. § 40 Rz. 4); demgemäß sind Auskehrungen aus dem EK 04 auch keine Einnahmen i.S.d. § 20.
Als Leistungen, die im Anrechnungsverfahren als sonstige Leistungen unter § 41 fallen, sind in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgezählt:
- sonstige Bezüge aus Kapitalbeteiligungen (Nr. 1);
- Auskehrungen auf beteiligungsähnliche Genussrechte (Nr. 1).
Somit hat auch die Verweisung auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG Bedeutung; sie ist nicht praktisch gegenstandslos.
Rz. 7a
Zu den Einnahmen aus § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG, die sonstige Leistungen nach § 41 KStG sind, gehören folgende Bezüge:
- Bezüge aus einer Kapitalherabsetzung, soweit hierfür verwendbares Eigenkapital als verwendet gilt (vgl. hierzu Rz. 35);
- Bezüge nach Auflösung der Anrechnungskörperschaft (vgl. hierzu Rz. 45).
In beiden Fällen gehören die Bezüge, wie im Fall des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nur insoweit zu den Einnahmen nach § 20, als nicht EK 04 verwendet wird.
Rz. 8
Fraglich kann sein, ob auch die in § 20 Abs. 2 EStG geregelten Einkünfte nach § 41 unter das Anrechnungsverfahren fallen. Die Frage stellt sich deshalb, weil in § 41 Abs. 1 nur § 20 Abs. 1, nicht Abs. 2 EStG in Bezug genommen worden ist.
Einkünfte nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG erfassen besondere Entgelte oder Vorteile, die neben oder anstelle der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG bezeichneten Bezüge gewährt werden. Diese besonderen Entgelte und Vorteile bilden keine Erweiterung des Tatbestandes des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG, sondern nur eine Klarstellung; sie könnten auch unter die "sonstigen Bezüge" in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG subsumiert werden (vgl. Seemann, in Frotscher, EStG, § 20 Rz. 149; Dötsch, in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 41 Rz. 9a). Da es sich somit bei den unter Abs. 2 Nr. 1 fallenden Einnahmen um solche handelt, die die Regelung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG ergänzen, werden sie durch die Verweisung in § 41 Abs. 1 erfasst.
Werden Dividendenscheine und sonstige Ansprüche ohne das dazugehörende Stammrecht veräußert, tritt nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG an die Stelle der Besteuerung der Gewinnausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Besteuerung der Einnahmen aus der Veräußerung der Dividendenscheine (vgl. Seemann, in Frotscher, EStG, § 20 Rz. 160). Diese Besteuerung tritt "an die Stelle" der Besteuerung der Dividende nach Abs. 1 ...