Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 28
Abs. 2 Nr. 1 ist durch Gesetz v. 25.2.1992 eingefügt und damit die bisherige Rechtsprechung des BFH (v. 18.5.1983, I R 263/82, BStBl II 1983, 602; v. 16.3.1988, I R 188/84, BStBl II 1988, 683) kodifiziert worden. Der BFH war mit seiner Rechtsprechung allerdings erheblich über den Wortlaut des Gesetzes hinausgegangen; dies war zwar für die Durchführung des Anrechnungsverfahrens zweckmäßig, verstieß aber gegen den Grundsatz des § 179 Abs. 1 AO, dass eine gesonderte Feststellung nur erfolgt, wenn dies gesetzlich bestimmt ist, nicht bereits dann, wenn sie zweckmäßig ist.
3.2.1 Die Feststellungen im Körperschaftsteuerbescheid
Rz. 29
Der Körperschaftsteuerbescheid ist nicht nur von dem Feststellungsbescheid abhängig (vgl. Rz. 21), sondern umgekehrt auch der Feststellungsbescheid von dem Körperschaftsteuerbescheid. Die Entwicklung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals hängt von Faktoren ab, über die im Körperschaftsteuerbescheid (incidenter) entschieden wird; die Bindung des Feststellungsbescheides an den Körperschaftsteuerbescheid ist daher insoweit zweckmäßig.
Die Bindungswirkung tritt für denjenigen Feststellungsbescheid ein, in dem die Faktoren, die in dem Körperschaftsteuerbescheid festgestellt werden, erstmals zu erfassen sind. Enden in einem Veranlagungszeitraum zwei Wirtschaftsjahre, gibt es also zwei Feststellungsbescheide, aber nur einen Körperschaftsteuerbescheid, sind die in dem Körperschaftsteuerbescheid festgestellten Faktoren aufzuteilen und dem jeweiligen Feststellungsbescheid zuzuordnen.
Rz. 30
Die Besonderheit der Bindungswirkung, die der Körperschaftsteuerbescheid entfaltet, liegt darin, dass die Faktoren, an die der Feststellungsbescheid gebunden wird, im Körperschaftsteuerbescheid an sich nur die Funktion von unselbstständigen Besteuerungsgrundlagen nach § 157 Abs. 2 AO haben. Aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Abs. 2 Nr. 1 ist der Körperschaftsteuerbescheid aber Grundlagenbescheid hinsichtlich dieser Faktoren. Das Gesetz erkennt daher im Ergebnis diesen Faktoren die Funktion von bindend festgestellten Besteuerungsgrundlagen zu. Die Rechtsprechung hat deshalb angenommen, dass diese Faktoren innerhalb des Körperschaftsteuerbescheides eine "fingierte Feststellung" bilden. "Fingiert" ist die Feststellung, weil diese Faktoren nicht in einem gesonderten Bescheid festgestellt werden, sondern weil an diese Besteuerungsgrundlagen des Körperschaftsteuerbescheides nur die Folgen einer solchen Feststellung geknüpft werden. Die Vorschrift enthält keine ausdrückliche Bestimmung, dass die Faktoren gesondert festzustellen sind, sondern regelt nur die Bindungswirkung.
Der BFH unterscheidet damit bei einem Körperschaftsteuerbescheid für eine Anrechnungskörperschaft den steuerfestsetzenden Teil von dem diese Faktoren feststellenden Teil. Beide Teile sind grundsätzlich selbstständig voneinander und enthalten jeder für sich genommen eine "Regelung" i.S.d. § 118 AO. Der steuerfestsetzende Teil ist Verwaltungsakt aufgrund seines Inhalts, die Feststellung der Faktoren für das Anrechnungsverfahren ist Verwaltungsakt nur aufgrund der genannten Fiktion.
Rz. 31
Daraus folgt, dass die (fiktive) Feststellung der Faktoren des Abs. 2 Nr. 1 im Körperschaftsteuerbescheid entgegen der Regel des § 157 Abs. 2 AO (und ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung) nicht lediglich unselbstständige, sondern verfahrensmäßig selbstständig festgestellte Besteuerungsgrundlage ist, die selbstständig in Bestandskraft erwächst und selbstständig angefochten werden kann. Ist die Feststellung unterblieben, ist der Körperschaftsteuerbescheid um die erforderlichen fiktiven Feststellungen in entsprechender Anwendung des § 179 Abs. 3 AO zu ergänzen.
Rz. 31a
Die Feststellungen des Abs. 2 Nr. 1 entfalten nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nur Bindungswirkung für den Bescheid über die Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals. Eine darüber hinausgehende Bindungswirkung können diese Feststellungen nicht entfalten. Das bedeutet, dass der Körperschaftsteuerbescheid mit seiner Steuerfestsetzung an die (logisch vorhergehenden) Feststellungen im Körperschaftsteuerbescheid nicht gebunden ist. Es entsteht daher das seltsame Ergebnis, dass der Feststellungsbescheid über die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals an die Feststellungen im Körperschaftsteuerbescheid gebunden ist, die Körperschaftsteuerfestsetzung im Körperschaftsteuerbescheid aber nicht. In der Praxis dürften sich hieraus keine Probleme ergeben, da die Körperschaftsteuerschuld praktisch aus den Feststellungen entwickelt wird; verfahrensrechtlich folgt aber hieraus, dass die Körperschaftsteuerfestsetzung anzufechten ist, wenn die Höhe der Körperschaftsteuer in Streit steht; die Anfechtung nur z. B. der Einkommensfeststellung genügt nicht. Würde nur die Einkommensfeststellung angefochten, nicht aber die Festsetzung der Körperschaftsteuer, könnte die Änderung der Einkommensfeststellung in dem Bescheid über die Gliederung des verwendbaren Eigenkapita...