Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 51
Die meisten von der Bundesrepublik abgeschlossenen DBA enthalten das sog. internationale Schachtelprivileg. Danach stellt der Sitzstaat einer Gesellschaft, die an einer Gesellschaft in dem anderen Vertragsstaat wesentlich beteiligt ist, die Gewinnausschüttungen von der Steuer vom Einkommen frei. Folge dieser Freistellung ist, dass die Gewinnausschüttungen bei der empfangenden Gesellschaft im Sitzstaat nicht zum Einkommen gehört und daher nicht mit Körperschaftsteuer belastet ist.
Durch das Schachtelprivileg soll im zwischenstaatlichen Bereich die doppelte Belastung mit Körperschaftsteuer vermieden werden; im innerstaatlichen Bereich dient diesem Zweck das Anrechnungsverfahren, das ein nationales Schachtelprivileg überflüssig macht. Entsprechend wird das internationale Schachtelprivileg nur gewährt, wenn sowohl ausschüttende Gesellschaft als auch empfangende Gesellschaft körperschaftsteuerpflichtig sind; es steht daher Personengesellschaften und natürlichen Personen nicht zu. Das internationale Schachtelprivileg ist dagegen zu gewähren, wenn die Beteiligung vom körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseigner im Sonderbetriebsvermögen einer Personengesellschaft gehalten wird; dann stehen die Gewinnausschüttungen der Körperschaft unmittelbar zu; sie werden nur aus steuerlichen Gründen formal über die Personengesellschaft geleitet.
Die Freistellung der "Schachteldividende" erfolgt im Übrigen unter den in dem jeweiligen DBA geregelten Voraussetzungen. Hierzu gehört regelmäßig ein bestimmter Mindestumfang der Beteiligung, der in der Mehrzahl der DBA's "mit einem Viertel", in einigen DBA aber auch mit "mehr als einem Viertel" des Nennkapitals festgesetzt ist.
Rz. 52
Durch das Steuerentlastungsgesetz 1984 vom 22.12.1983 ist das internationale Schachtelprivileg durch Einführung eines Abs. 7 in § 26 erweitert worden. Danach wurde ab Vz 1984 die abkommensgeregelte Steuerbefreiung von Schachteldividenden unabhängig von der Höhe der im DBA geforderten Mindestbeteiligung schon dann gewährt, wenn eine Mindestbeteiligung von 10 % am Nennkapital besteht. Die bilaterale Abkommensregelung ist dadurch unilateral zu Gunsten des Steuerpflichtigen ausgedehnt worden. Gleichzeitig wurde der Mindestbeteiligungssatz für die indirekte Anrechnung nach § 26 Abs. 2 von 25 % auf 10 % gesenkt (vgl. § 26 Rz. 75).
Durch das Standortsicherungsgesetz v. 13.9.1993 wurde die Regelung des § 26 Abs. 7 systematisch richtig in § 8b Abs. 5 übernommen; § 26 regelt damit nur noch die Steueranrechnung, während § 8b die Auswirkungen der ausländischen Beteiligung auf die Einkommensermittlung erfasst. Die Übernahme in § 8b Abs. 5 erfolgte wortgetreu; eine Änderung des Wortlauts oder des Regelungsgehalts war damit nicht verbunden. Die Regelung in § 8b Abs. 5 gilt ab Vz 1994; für die Vz 1984 bis 1993 galt die entsprechende Regelung in § 26 Abs. 7.
Rz. 53
Das internationale Schachtelprivileg wird daher, wenn es in dem jeweiligen DBA dem Grunde nach enthalten ist, für Gesellschaften, die in der Bundesrepublik ihren Sitz haben, bereits dann gewährt, wenn die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft 10 % oder mehr beträgt. Erweitert wird das internationale Schachtelprivileg aber nur hinsichtlich der Höhe der Mindestbeteiligung, nicht hinsichtlich der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen. Ob eine Freistellung von Schachtelgewinnen dem Grunde nach in Betracht kommt, entscheidet sich daher weiterhin nach der Regelung des jeweiligen DBA.