Rz. 145
Die umfangreichen Pflichten in Zusammenhang mit dem steuerlichen Einlagekonto betreffen zwar die Kapitalgesellschaft, die Verwendung des positiven Bestands wirkt sich aber nur beim Anteilseigner aus. Verfahrenstechnisch ist das FA des Anteilseigners mithin auf die Übermittlung von Informationen zur Verwendung des steuerlichen Einlagekontos durch die Kapitalgesellschaft angewiesen. § 27 Abs. 3 bis 5 KStG normiert vor diesem Hintergrund zur technischen Durchführung der Besteuerung die Pflicht der Kapitalgesellschaft, eine Verwendungsbescheinigung zu erteilen. Diese Bescheinigung stellt den Informationsfluss sicher, sodass der betroffene Anteilseigner gegenüber dem zuständigen FA nachweisen kann, welche Beträge der erhaltenen Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto stammen und welche Beträge als steuerbare Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu behandeln sind. Die Bescheinigung ist deshalb ein zentrales Element für die Sicherung der Besteuerung.
Rz. 146
Nach Verwaltungsauffassung ist eine Bescheinigung nur für Leistungen auszustellen, die aus dem steuerlichen Einlagekonto finanziert werden; ausgenommen sind Nennkapitalrückzahlungen. Bei einer Kapitalherabsetzung ist hingegen die Eintragung im Handelsregister ausreichend als Nachweis.
Rz. 147
Die Bescheinigung ist keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die ertragsteuerliche Qualifizierung der Leistung als nicht steuerbare Kapitalrückzahlung. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG stellt insoweit nicht auf eine Bescheinigung, sondern lediglich darauf ab, dass bei Ausschüttungen der Bestand des steuerlichen Einlagekontos gem. § 27 KStG als verwendet gilt. Die Verwendung erfolgt jedoch unabhängig von der Bescheinigung, denklogisch geht diese der Bescheinigung sogar voraus, da nur bescheinigt werden kann, was auf dem Einlagekonto tatsächlich vorhanden ist. Insoweit fordert § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG die Erfüllung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen, der Einlagenrückgewähr nicht das (formelle) Vorliegen einer Bescheinigung ab. Andererseits kann eine fehlerhafte Bescheinigung Rückwirkung für das steuerliche Einlagekonto haben, z. B. eine zu spät erteilte Bescheinigung. Dann richtet sich die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos nach der fehlerhaften bzw. fehlenden Bescheinigung, sodass diese mittelbar doch materiell-rechtliche Bindungswirkung entfalten kann.
Rz. 148
Beim Fehlen der Bescheinigung kann der Nachweis, dass keine steuerpflichtigen Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern nicht steuerbare Vermögensauskehrungen vorliegen, auch auf andere Art und Weise geführt werden. Die Bescheinigung ist allerdings die gesetzlich vorgesehene Nachweisform; zudem hat der Gesellschafter einen zivilrechtlichen Anspruch auf Ausstellung der Bescheinigung. Folglich sollte die Finanzverwaltung ermessensfehlerfrei auf der Vorlage einer Bescheinigung bestehen dürfen. Ergibt sich jedoch aus anderen Umständen objektiv, dass das steuerliche Einlagekonto verwendet wurde, etwa aus einer Kontrollmitteilung nach einer Betriebsprüfung, sollte die zutreffende Besteuerung nicht von der Vorlage der Bescheinigung abhängig gemacht werden.
Rz. 149
Andererseits besteht keine Bindung der Finanzverwaltung bzw. des Stpfl. an die Bescheinigung, wenn diese fehlerhaft ist. Grund hierfür ist, dass die Bescheinigung lediglich einen Nachweis i. S. eines Beweismittels darstellt, nicht jedoch materiell-rechtliche Bindungswirkung entfaltet. Generell kann jedoch von der Richtigkeit der Bescheinigung ausgegangen werden, d. h. sowohl die Finanzverwaltung als auch der Stpfl. können die in der Bescheinigung enthaltenen Beträge als richtig ansehen, bis dies durch andere stichhaltige Beweise widerlegt wird, insbes. durch eine hiervon abweichende Bescheinigung. Die bloße Behauptung des Stpfl., die Bescheinigung sei unrichtig, ist dagegen nicht geeignet, die Richtigkeitsvermutung zu entkräften.
Rz. 150
Wird eine Bescheinigung nachträglich erteilt, stellt dies gem. § 175 Abs. 2 S. 2 AO kein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar.