Prof. Dr. Gerrit Frotscher
5.1 Grundlagen
Rz. 136
§ 4h Abs. 2 S. 1 EStG enthält 3 verschiedene Ausschlussregeln für die Zinsschranke. Diese Ausschlussregeln beziehen sich jeweils auf das laufende Wirtschaftsjahr, d. h., sie sind für jedes Wirtschaftsjahr gesondert anzuwenden. Andererseits erfassen diese Ausschlussbestimmungen den zu dem Zeitpunkt, zu dem sie verwirklicht sind, jeweils vorhandenen Bestand an Zinsen, d. h. die Zinsaufwendungen des laufenden Jahrs und einen etwaigen Zinsvortrag. Wenn daher der Saldo aus Zinsaufwendungen und -erträgen sowie der Zinsvortrag unter der Kleinbetragsgrenze liegen, wenn der Betrieb im maßgebenden Wirtschaftsjahr nicht zu einem Konzern gehört oder wenn für ein Wirtschaftsjahr die Escape-Klausel eingreift, können alle Zinsen einschließlich des Zinsvortrags abgezogen werden. Soweit durch den Abzug dieses kumulierten Zinsaufwands ein Verlust entsteht, ist dieser nach § 10d EStG vortragsfähig.
5.2 Kleinbetragsgrenze (§ 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. a EStG)
Rz. 137
Nach § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. a EStG ist die Zinsschranke nicht anzuwenden, wenn der Saldo aus Zinsaufwendungen und -erträgen, also der Nettozinsaufwand, für den jeweiligen Betrieb weniger als 3 Mio. EUR beträgt. Einen Ausschluss der Kleinbetragsregelung bei schädlicher Gesellschafter-Fremdfinanzierung enthält die Vorschrift nicht.
Rz. 138
Durch Gesetz v. 16.7.2009 wurde die Kleinbetragsgrenze von 1 Mio. EUR auf 3 Mio. EUR erhöht. Diese Erhöhung gilt erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 25.5.2007 beginnen und nicht vor dem 1.1.2008 enden. Die neue Kleinbetragsgrenze ist daher rückwirkend ab Inkrafttreten des § 8a KStG anzuwenden. Die Erhöhung der Kleinbetragsgrenze war ursprünglich auf Wirtschaftsjahre beschränkt, die vor dem 1.1.2010 enden, also letztmalig für den Vz 2009 anzuwenden. Durch Gesetz v. 22.12.2009 wurde diese zeitliche Begrenzung ersatzlos gestrichen. Die Kleinbetragsgrenze von 3 Mio. EUR gilt daher zeitlich unbegrenzt. Die in § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. a EStG enthaltene Freigrenze ist als Vorschrift der Einkommensermittlung nach § 8 Abs. 1 KStG in vollem Umfang auch auf Körperschaften anzuwenden; § 8a KStG enthält insoweit keine Abweichungen.
Rz. 139
Maßgebend ist der Nettozinsaufwand, also der Saldo aus Zinsaufwendungen und -erträgen. Er ist aus den dem jeweiligen Wirtschaftsjahr zurechenbaren Zinsaufwendungen und -erträgen zu bilden. Die Regelung des § 4h Abs. 1 S. 1 EStG, dass zuerst Zinsaufwendungen mit Zinserträgen zu saldieren sind, gilt also auch für die Anwendung der Kleinbetragsregelung. Dieser Zinssaldo ist um vorgetragene Zinsaufwendungen einschl. des fortführungsgebundenen Zinsvortrags zu erhöhen. Die Kleinbetragsgrenze ist daher nur anwendbar, wenn der laufende Zinssaldo zuzüglich des Zinsvortrags niedriger ist als 3 Mio. EUR. Es geht darum, welche Zinsen in einem Wirtschaftsjahr abziehbar sind; dazu gehört aber auch der Zinsvortrag und der fortführungsgebundene Zinsvortrag. Daher bestimmt § 4h Abs. 1 S. 6 EStG, dass der Zinsvortrag zu den Zinsaufwendungen des laufenden Wirtschaftsjahres gehört.
Die hier vertretene Ansicht hat zur Folge, dass die Freigrenze nicht mehr anwendbar ist, wenn der Zinsvortrag 3 Mio. EUR erreicht.
Rz. 140
In die Kleinbetragsregelung einzubeziehen sind nur Zinsaufwendungen, die bei der inl. Gewinnermittlung abgezogen werden. Das bedeutet, dass Zinsaufwendungen, die einer ausl. Betriebsstätte zuzuordnen sind, die Freigrenze nicht verbrauchen, wenn nach dem jeweiligen DBA die Freistellungsmethode anzuwenden ist. Einzubeziehen sind aber Zinsen einer ausl. Anrechnungsbetriebsstätte. Andererseits ist die Freigrenze in voller Höhe auf eine inl. Betriebsstätte eines beschränkt Stpfl. anzuwenden, also nicht anteilig auf steuerbare und nicht steuerbare Einkünfte der verschiedenen Betriebsstätten aufzuteilen. Die Zinsschranke ist also nicht anwendbar, wenn die der inl. Betriebsstätte bzw., bei mehreren inl. Betriebsstätten, die dem inl., aus mehreren Betriebsstätten bestehenden Teil des (Gesamt-)Betriebs zuzuordnenden Zinsen die Freigrenze nicht übersteigen.
Rz. 141
Die Kleinbetragsgrenze gilt pro Wirtschaftsjahr, damit in voller Höhe auch für ein Rumpfwirtschaftsjahr. Da sich die Kleinbetragsgrenze zudem auf den jeweiligen "Betrieb" bezieht, kann jeder Betrieb i. S. d. Zinsschranke den Kleinbetrag gesondert nutzen. Auch wenn mehrere Betriebe einen Konzern bilden, kann jede Konzerngesellschaft die Freigrenze nutzen, da ein Konzern keinen einheitlichen "Betrieb" darstellt. Dagegen können ab Vz 2024 alle Körperschaftsteuersubjekte nur einen einzigen Betrieb haben, sodass das einzelne Körperschaftsteuersubjekt die Freigrenze nur einmal nutzen kann (Rz. 56).
Rz. 142
Bei nachgeordneten Personengesellschaften ist die Freigrenze auf alle Zinsaufwendungen zu beziehen, die in die Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns der Personengesellschaft eingehen. Das ist eine Folgewirkung der Definition des "maßgeblichen Gewinns" in § 4h Abs. 3 EStG. Da es auch bei der Freigrenze um die Minderung des "maßgeblichen Gewinns" um Zin...