Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 61
Trotz Überschreitens des "safe haven" in Höhe des Eineinhalbfachen des anteiligen Eigenkapitals tritt die Rechtsfolge der Umqualifizierung der Vergütungen nicht ein, wenn
- die Kapitalgesellschaft das Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten hätte erhalten können, oder
- es sich um eine Mittelaufnahme zur Finanzierung von Geschäften i. S. d. § 1 KWG handelt.
In diesen Fällen hat Gesellschafter-Fremdkapital mit erfolgsunabhängiger Vergütung in vollem Umfang den Charakter von Fremdkapital, es besteht keine wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit Eigenkapital. Eine Einschränkung der Anerkennung der Vergütungen als Betriebsausgaben ist daher nicht gerechtfertigt.
Die Regelung des Abs. 1 Nr. 2, wonach bei Überschreiten der Eigenkapitalrelation eine unangemessene Finanzierung vorliegt und daher die Umqualifizierung erfolgt, wird durch die Ausnahmeregelung zur widerlegbaren Vermutung. Soweit einer der Ausnahmetatbestände belegt werden kann, ist die Vermutung der Unangemessenheit der Finanzierung widerlegt; die Vergütungen sind vollen Umfangs Betriebsausgaben.
2.3.2.1 Mögliche Kreditaufnahme bei Dritten
Rz. 62
Die Umqualifizierung tritt nicht ein, wenn die Kapitalgesellschaft das Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten hätte erhalten können. Die Kapitalgesellschaft soll durch § 8a nicht gezwungen werden, Fremdkapital von Dritten aufzunehmen, weil die "safe-haven"-Grenze bereits erreicht ist. Würde auch ein fremder Dritter das Fremdkapital geben, gibt es keinen rechtfertigenden Grund, Vergütungen für Gesellschafter-Fremdkapital als verdeckte Gewinnausschüttungen zu behandeln. Der Tatbestand enthält die unwiderlegbare Vermutung, dass die Gesellschafter-Fremdfinanzierung dann keine missbräuchliche Gestaltung darstellt.
Der Tatbestand dieser Ausnahmeregelung besteht aus unbestimmten Rechtsbegriffen, deren Konkretisierung in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereitet.
Rz. 63
Der Fremdvergleich ist bei einem Darlehen, das den safe haven teilweise überschreitet, für den Betrag zu führen, um den der safe haven überschritten wird. Es ist also zu prüfen, ob ein unabhängiger Dritter angesichts des Verschuldungsgrads der Kapitalgesellschaft, in den der in den safe haven fallende Darlehensteil einzubeziehen ist, den den safe haven übersteigenden Betrag als Darlehen zur Verfügung gestellt hätte.
Bei mehreren Darlehen ist der Fremdvergleich für das Darlehen zu führen, das den "safe haven" überschreitet. Stellt man, wie die Finanzverwaltung, auf die zeitliche Reihenfolge ab (vgl. Rz. 58), ist der Fremdvergleich für das jeweils zuletzt gewährte Darlehen zu führen. Billigt man, wie hier vertreten (vgl. Rz. 58), dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, ist der Fremdvergleich für das Darlehen zu führen, das nach der Wahl des Steuerpflichtigen nicht mehr in den "safe haven" fällt. Das Darlehen, für das der Fremdvergleich gelingt, ist dann nicht mehr in die Berechnung des "save haven" einzubeziehen.
Rz. 64
Der Ausnahmetatbestand liegt vor, wenn ein fremder Dritter das Fremdkapital gegeben hätte. "Fremder Dritter" ist eine Person, die nicht, auch nicht nur unwesentlich, an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Außerdem darf der Dritte keine einem Gesellschafter "nahe stehende Person" sein, d. h. kein mittelbar Beteiligter und keine konzernangehörige Gesellschaft. Als "Dritter" in Betracht kommen regelmäßig Banken. Es ist ohne Bedeutung, ob es sich um in- oder ausländische Dritte handelt; auch ausländische Banken können daher zum Drittvergleich herangezogen werden.
Der Drittvergleich bezieht sich auf Grund und Konditionen des Darlehens. Hätte der Dritte kein Darlehen gegeben, z. B. mangels Kreditwürdigkeit, ist der Drittvergleich für den Steuerpflichtigen negativ ausgegangen, die Darlehenszinsen sind umzuqualifizieren.
Rz. 65
Der Dritte hätte das Fremdkapital "bei sonst gleichen Umständen" geben müssen. Diesem Tatbestandsmerkmal kommt wesentliche Bedeutung zu. Es ist zu ermitteln, ob ein Dritter das Darlehen unter Berücksichtigung der Höhe des aufgenommenen Fremdkapitals, des Verschuldungsgrads, der Gewinnaussichten, der gebotenen Sicherheiten usw. zur Verfügung gestellt hätte. Maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem das Gesellschafter-Fremdkapital hingegeben wurde. Es ist zu prüfen, ob der Dritte in diesem Zeitpunkt (vgl. Rz. 65a) das Fremdkapital zu genau den gleichen Bedingungen gegeben hätte, die für das Gesellschafter-Fremdkapital vereinbart worden sind. Es genügt nicht, dass das Fremdkapital von einem Dritten unter anderen Umständen gegeben worden wäre. Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Dritte das Fremdkapital bei Sicherheitengestellung durch den Anteilseigner oder eine nahe stehende Person gegeben hätte; diese Fälle sind durch S. 2 der Gesellschafter-Fremdfinanzierung gleichgestellt (vgl. Rz. 121ff.) und können daher den Ausnahmetatbestand nicht erfüllen.
Ohne Bedeutung ist dagegen die Vergütung; der Ausdruck "bei sonst gleichen Umständen" bezieht sich also nicht auf die Höhe des Zinssatzes. Ist d...