Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 132
Nach Abs. 2 S. 2 ist bei der Ermittlung des Eigenkapitals zur Feststellung des safe haven bei einer Kapitalgesellschaft ohne Holdingeigenschaft (zu Holdinggesellschaften vgl. Rz. 168) der Buchwert einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft abzuziehen. Durch diese Sonderregelung soll verhindert werden, dass innerhalb einer Beteiligungskette der "safe haven" durch Hintereinanderschalten mehrerer Kapitalgesellschaften für das, wirtschaftlich betrachtet, gleiche Kapital mehrfach berücksichtigt wird ("Kaskadeneffekt").
Die Kapitalgesellschaft A hat ein Eigenkapital von 1.000; hierin enthalten ist die Beteiligung von 100 % an der Kapitalgesellschaft B mit 300 (Buchwert: 300, Nennkapital der B: 300). Ohne eine besondere Regelung würde nun bei Ermittlung des "safe haven" für A das Eigenkapital von 1.000 zugrunde gelegt, obwohl dieses Eigenkapital in Höhe von 300 die Beteiligung an B repräsentiert; bei B bilden diese 300 ebenfalls die Berechnungsgrundlage für den "safe haven". Dieser Betrag erhöht daher den "safe haven" sowohl bei der A als auch bei der B. Ohne die Regelung in Abs. 2 S. 2 könnte die B den Betrag von 300, der ihr Nennkapital repräsentiert, in eine weitere Kapitalgesellschaft einlegen und damit dort wiederum ein Eigenkapital von 300 schaffen. Das gleiche Kapital von 300 könnte daher in einer beliebig langen Kette von Beteiligungen jeweils ein Eigenkapital von 300 und damit einen safe haven von 450 schaffen.
Rz. 133
Zur Vermeidung dieses Kaskadeneffekts bestimmt Abs. 2 S. 2, dass das Eigenkapital, das der Ermittlung des "anteiligen Eigenkapitals" dient, um den Buchwert der Beteiligung zu vermindern ist. Auf diese Weise wird dieser Betrag, der das in der Tochtergesellschaft investierte Eigenkapital repräsentiert, nur bei dem "safe haven" der Tochtergesellschaft, nicht bei dem der Muttergesellschaft, berücksichtigt; eine mehrfache Berücksichtigung ist ausgeschlossen.
Es ist nur der Buchwert einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (AG, GmbH, KGaA, SE) abzuziehen. Dabei muss es sich aber um eine "Beteiligung" handeln, wobei der Begriff der Beteiligung i. S. d. § 266 Abs. 2 Nr. A III 3 HGB zu verstehen ist. Anderer Ansicht ist das BMF (v. 15.12.1994, IV B 7 – S 2742a – 63/94, BStBl I 1995, 25, Tz. 89), wonach es für die Kürzung auf die Höhe der Beteiligung nicht ankommen soll. Das Gesetz verwendet aber ausdrücklich den Begriff "Beteiligung", während er in anderen Fällen, in denen die Höhe der Beteiligung keine Rolle spielen soll (z. B. § 8b Abs. 2), den Begriff "Anteile" verwendet. Der Begriff der "Beteiligung" steht in Abs. 2 auch in S. 1, für den insgesamt auf die handelsrechtlichen Vorschriften verwiesen wird. Daher ist "Beteiligung" im handelsrechtlichen Sinne zu verstehen.
Nach § 271 HGB setzt das Vorliegen einer Beteiligung voraus, dass die Anteile an der anderen Kapitalgesellschaft dazu bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb durch Herstellung einer dauerhaften Verbindung zu der Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, zu dienen. Der bloße Zweck der Kapitalanlage zum Beziehen von Dividenden genügt also nicht. Betragen die Anteile mindestens 20 %, wird vermutet, dass sie eine Beteiligung bilden.
Liegt eine Beteiligung vor, ist der Buchwert vom Eigenkapital zur Ermittlung des "anteiligen Eigenkapitals" abzuziehen. Der Abzug ist nicht auf wesentliche Beteiligungen beschränkt.
Nicht abgezogen wird der Buchwert der Beteiligung an einer anderen Körperschaft als einer Kapitalgesellschaft, z. B. einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft.
Abzuziehen ist der Buchwert nach der Handelsbilanz, die auch die Grundlage für die Errechnung des Eigenkapitals nach Abs. 2 bildet. Einzubeziehen sind alle kapitalähnlichen Positionen, die handelsrechtlich als Eigenkapital der Beteiligungsgesellschaft dienen. Soweit die Gesellschaft der Tochtergesellschaft also Genussrechtskapital eingeräumt hat, das bei der Beteiligungsgesellschaft als Eigenkapital bilanziert werden kann, ist das Eigenkapital der Kapitalgesellschaft entsprechend zu mindern; das Genussrechtskapital wird wie der Buchwertansatz der Beteiligung behandelt.
Abzuziehen sind auch die Buchwerte der Beteiligungen an Organgesellschaften. Das Gesetz schließt insoweit die Abrechnung nicht aus.
Rz. 134
Die Kürzung um den Buchwert der Beteiligung bei der Muttergesellschaft erfolgt auch, wenn der Buchwert höher ist als das anteilige Eigenkapital der Tochtergesellschaft (z. B. weil die Beteiligung zu einem Aufpreis erworben worden ist).
Die A hat die Beteiligung an der B, deren Stammkapital 100 beträgt, zum Preis von 500 erworben. Für Zwecke des § 8a ist das Eigenkapital der A um 500 (Anschaffungskosten, d. h. Buchwert der Beteiligung) zu kürzen und reduziert daher den "safe haven" entsprechend (d. h. um 750), während sich der "safe haven" bei der Tochtergesellschaft nur auf der Basis von 100 errechnet, also 150 beträgt.
Rz. 135
Die Vorschrift ist zwar insoweit sinnvoll, als sie der Beseitigung des Kaskadeneffekts dient, s...