Rz. 80
§ 8c Abs. 1 KStG erfasst sowohl den Verlustausgleich als auch den Verlustabzug, also den Verlustvortrag wie auch den Verlustrücktrag. Die nach § 8c Abs. 1 KStG nicht abziehbar werdenden Verluste sind nach dem Wortlaut der Vorschrift auch vom Verlustrücktrag ausgeschlossen, also dem Rücktrag in eine Zeit, zu der der Tatbestand des § 8c Abs. 1 KStG noch nicht erfüllt war. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG bestimmt allgemein, dass die betroffenen Verluste "nicht abziehbar" werden, schließt also den Verlustabzug, und damit nach § 10d EStG auch den Verlustrücktrag, in vollem Umfang aus. M. E. ist dem jedoch nicht zu folgen. Steuerlich "verfallen" die Verluste mit Tatbestandsverwirklichung, sind also steuerlich als nicht mehr existent zu behandeln. Diese Rechtsfolge tritt allerdings nur ein, wenn der Anteilserwerb vor dem Verlustrücktrag erfolgt. Der Verlustrücktrag wird ausgelöst durch das Entstehen des Verlusts zum Ende des Wirtschaftsjahrs. Erfolgt der schädliche Anteilserwerb nach diesem Zeitpunkt, hat erst der Verlustrücktrag zu erfolgen, danach tritt die Rechtsfolge des § 8c Abs. 1 KStG auf den (durch den Verlustrücktrag geminderten) Verlust ein. Damit können m. E. die Grundsätze der "Mitternachtsfälle" herangezogen werden. Danach veräußert der Gesellschafter die Beteiligung am 31.12. und damit zum Ende des Wirtschaftsjahrs um 24.00 Uhr. Dies ist der letzte Vorfall in diesem Wirtschaftsjahr; er ereignet sich nach der Ermittlung von Gewinn und Einkommen und damit nach der Entstehung des Verlusts. Dieser Verlust kann daher auf das Vorjahr zurückgetragen werden. Der Erwerb der Beteiligung erfolgt erst eine logische Sekunde später, d. h. am 1.1. des Folgejahrs um 0:00 Uhr, und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem der Verlustrücktrag bereits erfolgt ist. § 8c Abs. 1 KStG ist daher nicht anwendbar. Gerechtfertigt ist dies Ergebnis dadurch, dass § 8c Abs. 1 KStG auf den "Erwerb" abstellt, nicht auf die "Veräußerung". Dieses Ergebnis ist auch systematisch gerechtfertigt, da die vor dem Verlust der wirtschaftlichen Identität erlittenen Verluste mit zuvor erzielten Gewinnen ausgeglichen werden, also eine "Verlustübertragung" trotz Verlusts der wirtschaftlichen Identität nicht eintritt. Insoweit wirkt § 8c KStG also nicht für den Verlustrücktrag.
Rz. 80a
Eine weitere Frage zum Verlustrücktrag betrifft unterjährig bis zum schädlichen Beteiligungserwerb entstandene Verluste. Es stellt sich die Frage, ob diese Verluste noch auf das Vorjahr zurückgetragen werden können. Für den umgekehrten Fall, die Verrechnung unterjähriger Gewinne mit Verlusten der Vorjahre, hat der BFH die Verrechnung bejaht. Die Argumentation des BFH, dass eine Verrechnung der vor der schädlichen Anteilsübertragung erlittenen Verluste mit vor diesem Zeitpunkt erzielten Gewinnen erfolge, greift auch in diesem Fall. Es erfolgt also keine "Verlustübertragung" in den Zeitraum nach dem Verlust der wirtschaftlichen Identität, vielmehr erfolgt der Verlustrücktrag im Rahmen derselben wirtschaftlichen Identität. Der Zweck des § 8c KStG, eine Verlustnutzung trotz Verlusts der wirtschaftlichen Identität zu verhindern, erfordert daher die Anwendung der Vorschrift nicht. § 8c KStG hat folglich auch für diesen Fall keine Auswirkungen auf den Verlustrücktrag.
Rz. 80b
Weiter stellt sich die Frage, ob auch der Rücktrag eines nach dem schädlichen Beteiligungserwerb eingetretenen Verlusts in die Zeit davor anteilig ausgeschlossen sein kann.
Die A-GmbH hat im Jahr 18 einen Gewinn erzielt. Zum 1.1.19 werden mehr als 50 % der Anteile übertragen. Im Jahr 19 erleidet die GmbH einen Verlust. Damit stellt sich die Frage, ob der Verlustrücktrag aus dem Jahr 19 auf das Jahr 18 nach § 8c Abs. 1 KStG beschränkt ist.
M. E. ist der Verlustrücktrag uneingeschränkt möglich. Die Rechtsfolgen des § 8c Abs. 1 KStG (anteiliges Verlustabzugsverbot) betreffen nur Verluste, die bis zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs entstanden sind. Für Verluste, die nach diesem Zeitpunkt entstanden sind, enthält das Gesetz kein Abzugsverbot. Daher ist der Rücktrag von nach dem schädlichen Beteiligungserwerb entstandenen Verlusten in Zeiträume vor diesem Zeitpunkt uneingeschränkt möglich. Daraus folgt auch, dass Verluste erst recht nicht von dem Abzugsverbot betroffen sein können, die nach dem Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs entstanden sind und die für Zeiträume nach diesem Zeitpunkt abgezogen werden sollen.