Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 262a
Bei einer grenzüberschreitenden verdeckten Gewinnausschüttung richtet es sich nach dem jeweils anwendbaren DBA, welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht. Ist die Körperschaft im Inland ansässig, der begünstigte Gesellschafter im Ausland, fällt die verdeckte Gewinnausschüttung unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 OECD-MA. Danach sind aus Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Recht des Staats der ausschüttenden Gesellschaft den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind, als Dividende i. S. d. Art. 10 OECD-MA zu behandeln. Für eine in Deutschland ansässige Körperschaft ist das der Fall. Aufgrund der in Art. 10 Abs. 3 OECD-MA angeordneten Qualifikationsverkettung gilt die Einordnung der verdeckten Gewinnausschüttung als Dividende auch für den Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters. Deutschland kann daher eine KapESt von 15 %, bei Eingreifen des internationalen Schachtelprivilegs eine KapESt von 5 % bzw. nach den nach dem jeweiligen DBA geltenden abweichenden Sätzen erheben. Ab welcher Beteiligung das internationale Schachtelprivileg eingreift, hängt von dem jeweiligen DBA ab. I.d.R. gelten Beteiligungssätze von 10 % oder 25 %. Der ausl. Staat hat die KapESt anzurechnen bzw. stellt die Dividende frei, wenn das internationale Schachtelprivileg eingreift. Für eine Portfoliodividende enthalten die DBA regelmäßig eine Reduzierung der Abzugssteuer auf 15 %.
Rz. 262b
Ist die Körperschaft, die die verdeckte Gewinnausschüttung leistet, im Ausland ansässig, der begünstigte Gesellschafter jedoch im Inland, richtet es sich infolge der Qualifikationsverkettung nach dem Recht des ausl. Staats, ob Deutschland ein Besteuerungsrecht hat. Ein deutsches Besteuerungsrecht entsprechend Art. 10 OECD-MA für die Einkünfte des Gesellschafters kommt in Betracht, wenn das Steuerrecht desjenigen Staats, in dem die ausschüttende Körperschaft ansässig ist, ebenfalls den Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung kennt. Ob dieser Tatbestand in dem zur Entscheidung stehenden Fall angewandt wurde, ist dagegen ohne Bedeutung. Ohne Bedeutung soll es auch sein, ob der ausl. Staat auch die Rechtsfigur der "verhinderten Vermögensmehrung" und die verdeckte Gewinnausschüttung im Dreiecksverhältnis kennt und anwendet. Das Bestehen des Tatbestands der verdeckten Gewinnausschüttung soll für das Besteuerungsrecht nach Art. 10 OECD-MA ausreichen, ohne dass es auf die konkrete Ausgestaltung dieses Tatbestands im ausl. Recht ankommen soll. Folge ist ein deutsches Besteuerungsrecht unter Anrechnung einer etwaigen ausl. Steuer.
Rz. 262c
Kann die verdeckte Gewinnausschüttung nicht als Dividende eingeordnet werden, ergibt sich das Besteuerungsrecht aus Art. 21 OECD-MA. Danach hat der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters das Besteuerungsrecht, allerdings ohne Anrechnung einer ausl. Steuer. Im Ergebnis unterliegt die verdeckte Gewinnausschüttung in jedem Fall der deutschen Besteuerung eines im Inland ansässigen Gesellschafters; unterschiedlich ist nur, ob eine ausl. Steuer angerechnet wird.
Rz. 262d
Nach Art. 1 Abs. 1 Mutter-Tochter-Richtlinie erfasst die Richtlinie "Gewinnausschüttungen". Nach deutschem Recht fällt hierunter auch die verdeckte Gewinnausschüttung. Daher unterliegt die verdeckte Gewinnausschüttung einer inl. Kapitalgesellschaft unter den Voraussetzungen des § 43b EStG nicht der KapESt in Deutschland.
Rz. 262e
Nach der Zins- und Lizenzrichtlinie darf zwischen Gesellschaften in einem zweistufigen Konzernaufbau keine Abzugssteuer auf innerhalb der EU grenzüberschreitend gezahlte Zinsen und Lizenzgebühren erhoben werden. Die Richtlinie ist in § 50g EStG in deutsches Recht umgesetzt worden. Die Regelung hat nur Bedeutung für Lizenzgebühren, da Zinsen ohnehin regelmäßig nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Allerdings gilt diese Befreiung von der Abzugssteuer nach § 50g Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht, soweit die Zahlung der Lizenzgebühren als verdeckte Gewinnausschüttung einzuordnen ist. Dies entspricht der Zins- und Lizenzrichtlinie.
Rz. 262f
Ist die Körperschaft, die Gewinn verdeckt an einen ausländischen Anteilseigner ausschüttet, im Inland ansässig, hat nach § 50d Abs. 1 S. 1 EStG die Einbehaltung der KapESt ohne Rücksicht auf eine Steuerminderung durch DBA, die Mutter-Tochter-Richtlinie oder die Zins- und Lizenzrichtlinie zu erfolgen. Der ausländische Anteilseigner ist nach § 50d Abs. 1 S. 2 EStG auf das Erstattungsverfahren durch das Bundeszentralamt für Steuern angewiesen. Stattdessen kann der Anteilseigner auch von dem Freistellungsverfahren nach § 50d Abs. 2 EStG Gebrauch machen. Bei Vorliegen einer Freistellungsbescheinigung kann die ausschüttende Körperschaft von dem Steuerabzug absehen oder ihn nach dem geringeren in DBA oder EU-Richtlinie vorgesehenen Satz durchführen. Bei Reduzierung der KapESt nach einem DBA ist das Freistellungsverfahren aber nur zulässig, wenn der Gesellschafter unmittelbar mit einer Beteiligung von mindestens 10 % beteiligt ist.
Damit ist das Freistellungsverfahren bei Eingreifen des...