Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 24
§ 1 Abs. 2 SteuerHBekV verschärft die besonderen Dokumentationspflichten nach § 90 Abs. 3 EStG i. V. m. der GewinnabgrenzungsaufzeichnungsVO. Diese Vorschrift beruht auf § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f Doppelbuchst. aa Dreifachbuchst. aaa EStG als der Ermächtigungsnorm.
Rz. 25
Anwendbar ist diese Verschärfung, wenn der inländische Steuerpflichtige Geschäftsbeziehungen zum Ausland mit einer nahe stehenden Person unterhält. Nahe stehend ist eine Person, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 AStG erfüllt. Die Verordnung bezieht sich zwar auf § 1 Abs. 1 AStG, doch ist die Definition der nahe stehenden Person nicht in Abs. 1, sondern in Abs. 2 enthalten. Es dürfte ein offensichtlicher Fehler des Verordnungsgebers vorliegen, da die Ermächtigungsnorm richtigerweise auf § 1 Abs. 2 AStG verweist.
Rz. 26
Die Verschärfung erfolgt in zwei Punkten. Einmal sind Aufzeichnungspflichten nur erfüllt, wenn die Aufzeichnungen für alle Geschäftsbeziehungen zeitnah erstellt werden. "Zeitnah" dürfte im Sinne des § 3 Abs. 1 Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung zu verstehen sein. "Zeitnah" ist die Aufzeichnung dann, wenn sie spätestens 6 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs erstellt worden ist, in dem sich der Geschäftsvorfall ereignet hat. Zweitens muss die Vorlage innerhalb der Frist des § 90 Abs. 2 S. 3 AO erfolgen, also statt in 60 Tagen innerhalb von 30 Tagen. Es werden also alle unter § 1 Abs. 1 SteuerHBekV fallenden Geschäftsvorfälle als "außergewöhnliche" Geschäftsvorfälle i. S. d. § 90 Abs. 3 AO behandelt.
Rz. 27
Bemerkenswert ist, dass die Aufzeichnungspflichten nur erfüllt sind, wenn die Aufzeichnungen für alle Geschäftsbeziehungen zeitnah erstellt sind. Das Gesetz verwendet ausdrücklich den Begriff "alle Geschäftsbeziehungen" und vermeidet das Wort "soweit". Die Nichterstellung oder die nicht zeitnahe Erstellung der Aufzeichnungen für nur einen, auch geringen Teil der Geschäftsbeziehungen führt insgesamt zur Nichterfüllung der Aufzeichnungspflichten und damit zur Nichtabzugsfähigkeit von Betriebsausgaben und Werbungskosten.
Rz. 28
Da es sich bei § 1 Abs. 2 SteuerHBekV nur um eine Verschärfung der in § 90 Abs. 3 AO geregelten Dokumentationspflichten handelt, ist auch im Rahmen des § 1 Abs. 2 SteuerHBekV die Bestimmung des § 90 Abs. 3 S. 6 AO anzuwenden, wonach die Dokumentation nur im Rahmen einer Außenprüfung angefordert werden soll. Damit ist auch die Kleinbetragsregelung des § 6 GewinnabgrenzungsaufzeichnungsVO anzuwenden. Das ist systematisch seltsam, da für die Aufzeichnungspflichten nach § 1 Abs. 4 SteuerHBekV die Regelung in § 6 GewinnabgrenzungsaufzeichnungsVO nicht gelten soll, sondern eine schärfere Kleinbetragsregelung. Für die Aufzeichnungspflichten nach § 1 Abs. 2 SteuerHBekV gilt dies aber nicht, da die Vorschrift keine entsprechende Regelung enthält. Die Kleinbetragsregelung für Aufzeichnungspflichten bei Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen ist damit großzügiger als die zu nicht nahe stehenden Personen (zum Umfang der Aufzeichnungspflichten vgl. Uterhark, in Schwarz, AO, § 90 AO Rz. 27ff.).
Rz. 29
Da § 1 Abs. 2 SteuerHBekV in vollem Umfang auf § 90 Abs. 3 AO verweist, stellt auch die Dokumentation nach § 1 Abs. 2 SteuerHBekV eine Dokumentation i. S. d. § 90 Abs. 3 AO dar. Daraus könnte geschlossen werden, dass auf die Nichterfüllung der Dokumentationspflicht des § 1 Abs. 2 SteuerHBekV zusätzlich zu den Rechtsfolgen des § 1 Abs. 1 SteuerHBekV auch die Sanktionen des § 162 Abs. 3, 4 AO eingreifen. M. E. ist aber die Sanktion des § 1 Abs. 1 SteuerHBekV so weitreichend, dass sie als lex specialis die Sanktionen des § 162 Abs. 3, 4 AO verdrängt.