Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 1
§ 2 SteuerHBekV regelt zusätzliche Anforderungen an die Entlastung von der Abzugsteuer nach § 50d Abs. 1, 2 EStG oder § 44a Abs. 9 EStG. Die Vorschrift beruht auf § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f Doppelbuchst. bb EStG als Ermächtigungsnorm. Diese Anforderungen treten zu den Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG hinzu und sollen, über die dort geregelten Fälle hinaus, "Treaty Shopping" und ähnliche Gestaltungen verhindern (allgemein zu § 50d Abs. 3 EStG vgl. Frotscher, EStG, § 50d EStG Rz. 62ff.).
Rz. 2
§ 2 SteuerHBekV betrifft nur beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, denen die Entlastung von Abzugsteuern nach DBA, nach § 43b EStG oder nach § 44a Abs. 9 EStG zusteht. Natürliche Personen, denen eine Entlastung nach DBA ebenfalls zustehen kann, sind nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht betroffen, obwohl insoweit ebenfalls Treaty Shopping über Treuhänder möglich ist.
Rz. 3
Nach § 50d Abs. 3 EStG steht die Entlastung von der Abzugsteuer der beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft nicht zu, wenn der dahinterstehenden Person die Entlastung bei direkter Beteiligung nicht zustände, es sei denn, die zwischengeschaltete Körperschaft erfüllt bestimmte Aktivitätserfordernisse. § 2 SteuerHBekV soll es der Finanzverwaltung ermöglichen, diese Aktivitätserfordernisse zu überprüfen.
Rz. 4
Die Vorschrift ist nach § 6 SteuerHBekV auf Gewinnausschüttungen anwendbar, die nach dem 31.12.2009 gezahlt oder gutgeschrieben werden, also dem Berechtigten zufließen.
Rz. 5
Voraussetzung für die Anwendung des § 2 SteuerHBekV ist, dass eine ausländische Gesellschaft Anspruch auf vollständige oder teilweise Entlastung von Abzugsteuern nach den genannten Vorschriften hat. Betroffen sind also Gesellschaften, die im Ausland ansässig sind, im Inland aber beschränkt steuerpflichtig sind, weil sie Gewinnausschüttungen von einer in Deutschland ansässigen Körperschaft erhalten.
Rz. 6
Weitere Voraussetzung ist, dass an der beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar natürliche Personen beteiligt sind, deren Anteil jeweils 10 % übersteigt. Es genügt, dass eine Person vorhanden ist, die eine Beteiligung von mehr als 10 % hält. Für die Höhe der Beteiligung kommt es auf die Beteiligung an der beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft an, nicht auf die (durchgerechnete) Beteiligung an der inländischen Körperschaft.
Rz. 7
Bei der beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaft muss es sich um eine Rechtsform handeln, an der "Beteiligungen" bestehen können. Beschränkt steuerpflichtige Stiftungen fallen daher nicht unter diese Vorschrift; es ist keine Rechtsgrundlage vorhanden, die Entlastung von der Abzugsteuer von der Angabe der Destinatäre einer Stiftung abhängig zu machen.
Rz. 8
Das Bestehen einer solchen unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung ist Tatbestandsvoraussetzung des § 2 SteuerHBekV. Hierfür trägt die Finanzbehörde nach den allgemeinen Regeln die objektive Beweislast.
Rz. 9
Die beschränkt steuerpflichtige Körperschaft hat nur dann Anspruch auf Entlastung von den Abzugsteuern, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen der Nrn. 1 und 2 vorliegen. Die Verordnung enthält allerdings keine Bestimmung über das Verhältnis der Voraussetzungen der Nrn. 1 und 2 zueinander, ob diese Voraussetzungen also kumulativ mit "und" oder alternativ mit "oder" zu verbinden sind. M. E. können die Voraussetzungen nur alternativ gelten. Wenn die beschränkt steuerpflichtige Gesellschaft die Namen und die Ansässigkeit der natürlichen Personen offenlegt, besteht kein Grund mehr für ein Auskunftsersuchen, wie es Nr. 2 voraussetzt.
Rz. 10
Nach § 2 S. 1 Nr. 1 SteuerHBekV muss die beschränkt steuerpflichtige Gesellschaft, die von dem unbeschränkt Steuerpflichtigen steuerabzugspflichtige Einnahmen erhält, Namen und Ansässigkeit der unmittelbar oder mittelbar mit mehr als 10 % beteiligten natürlichen Personen offenlegen. Anzugeben sind die tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten; die Angabe von Treuhändern usw. genügt nicht.
Rz. 11
Die alternative Voraussetzung nach § 2 S. 1 Nr. 2 SteuerHBekV ist sprachlich offensichtlich missglückt. Danach würde die Entlastung von den Abzugsteuern nur gewährt, wenn keine der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f S. 2 EStG vorliegt. In dieser Vorschrift sind aber die kooperierenden Staaten definiert. § 2 S. 1 Nr. 2 SteuerHBekV würde also bedeuten, dass die Entlastung von dem Steuerabzug gewährt wird, wenn der ausländische Staat nicht kooperiert – eine Regelung, die angesichts der Zielrichtung der SteuerHBekV unsinnig ist. Es muss ein Fehler des Verordnungsgebers angenommen werden; gemeint sein kann nur, dass die Entlastung von den Abzugsteuern gewährt wird, wenn eine der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f S. 2 EStG vorliegt. Nur eine solche Regelung entspricht auch der Verordnungsermächtigung (zu den Anforderungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f S. 2 EStG vgl. § 1 SteuerHBekV Rz. 39ff.).