Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen, Elisabeth Wöhrle
Rz. 109
Problematisch ist die Behandlung der einzubehaltenden und abzuführenden KapESt im Rückwirkungszeitraum. Als zum KapESt-Abzug Verpflichtete kommen die übertragende Körperschaft und der übernehmende Rechtsträger in Betracht. Die Steuerabzugspflicht trifft in erster Linie den zivilrechtlich zur Leistung Verpflichteten. Das ist bis zur Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister der übertragende Rechtsträger. Aus Sicht der Rückwirkungsfiktion ist eine KapESt-Pflicht der übertragenden Körperschaft nicht ausgeschlossen, weil die KapESt-Pflicht nicht das Einkommen und Vermögen der übertragenden Körperschaft betrifft; nur insoweit gilt aber die Rückwirkungsfiktion. Trotzdem hat die Finanzverwaltung wegen des Eintritts des übernehmenden Rechtsträgers in die Stellung des übertragenden Rechtsträgers nach § 4 Abs. 2 S. 1, § 12 Abs. 3 UmwStG entschieden, dass die KapESt-Pflicht den übernehmenden Rechtsträger trifft. Das hat die unsystematische Konsequenz, dass bei einer Umwandlung nach § 3 UmwStG eine natürliche Person oder Personengesellschaft zur Abführung von KapESt verpflichtet ist.
Rz. 110
Für den Zeitpunkt des Abflusses der Ausschüttung und damit für das Entstehen der KapESt ist zu unterscheiden, ob für die Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers die Rückwirkungsfiktion gilt oder nicht. Ist übernehmender Rechtsträger eine natürliche Person, gilt immer die Rückwirkungsfiktion. Ist übernehmender Rechtsträger eine Personengesellschaft, gilt für die Ausschüttungsempfänger die Rückwirkungsfiktion, wenn sie Gesellschafter der Personengesellschaft sind oder werden. Greift danach die Rückwirkungsfiktion ein, gelten die Ausschüttungen am steuerlichen Übertragungsstichtag fiktiv als zugeflossen. Ist der übernehmende Rechtsträger eine Personengesellschaft, kommt es nicht mehr zu einer Ausschüttung, sondern allenfalls zu einer Entnahme. Um trotzdem die Folgen einer Ausschüttung, insbesondere für die KapESt, ziehen zu können, ist eine Fiktion erforderlich. Diese besteht darin, dass die Ausschüttungsverpflichtung als erfüllt gilt. Probleme macht dabei die Bestimmung des Entstehens der KapESt. An sich müsste die KapESt nach § 44 Abs. 1 S. 2 EStG mit dem Zufluss entstehen und wäre dann bis zum 10. des Folgemonats an das FA zu entrichten. Da der Rückwirkungszeitraum aber bis zu 8 Monate vor Anmeldung zum Handelsregister beträgt, können die Zeitpunkte des Entstehens und der Fälligkeit der KapESt schon verstrichen sein, bevor der Beschluss über die Umwandlung gefasst worden ist. Dann würde die KapESt rückwirkend entstehen und fällig werden, ohne dass der übernehmende Rechtsträger die KapESt anmelden und abführen konnte, weil die Umwandlung noch nicht beschlossen worden war. Die Folge wäre das Entstehen von Säumniszuschlägen. Das wäre unbillig, weil der übernehmende Rechtsträger die KapESt noch überhaupt nicht entrichten konnte, weshalb die Finanzverwaltung bestimmt, dass der Zufluss i. S. d. § 44 Abs. 1 S. 2 EStG "spätestens" mit Eintritt der Wirksamkeit der Umwandlung erfolgen soll. Diese unpräzise Regelung würde bedeuten, dass die KapESt "spätestens" mit Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister entsteht und bis zum 10. des Folgemonats zu entrichten ist.
Rz. 111
Für Ausschüttungsempfänger, die nicht unter die Rückwirkungsfiktion fallen, weil sie nicht Gesellschafter der übernehmenden Körperschaft werden, ist auf den tatsächlichen Abfluss der Ausschüttung abzustellen. Zum KapESt-Abzug verpflichtet ist laut Finanzverwaltung auch in diesem Fall der übernehmende Rechtsträger. Möglich ist es aber auch, dass die übertragende Körperschaft die KapESt entrichtet hat, etwa weil die Ausschüttung vor dem Beschluss über die Umwandlung, aber innerhalb des Rückwirkungszeitraums tatsächlich abgeflossen ist. In diesem Zeitpunkt kann noch nicht von der erst auf dem späteren Umwandlungsbeschluss beruhenden Rückwirkung ausgegangen werden, sodass die übertragende Körperschaft die Verpflichtung zum KapESt-Abzug noch erfüllen wird. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist die Erfüllung dieser Verpflichtung dem übernehmenden Rechtsträger zuzurechnen, sodass dieser nicht nochmals KapESt abführen muss.
Rz. 112
Bei der Verschmelzung oder Spaltung einer Körperschaft auf eine Körperschaft wendet die Finanzverwaltung grundsätzlich die gleichen Regelungen an. KapESt soll danach von dem übernehmenden Rechtsträger einbehalten werden. Das ist schon deshalb bedenklich, weil die KapESt die Gesellschafter betrifft, für die aber die Rückwirkungsfiktion nicht gilt. Bei der Aufspaltung und der Abspaltung wäre das wohl derjenige übernehmende Rechtsträger, dem die Ausschüttungsverbindlichkeit zugeordnet wird. Es wäre insgesamt systematisch richtig, die Pflicht zum KapESt-Abzug bis zum zivilrechtlichen Wirksamwerden bei der übertragenden Körperschaft zu belassen. Für Gewinnausschüttungen im Rückwirkungszeitraum lässt die Finanzverwaltung es aus Vereinfachungsgründen zu, dass die KapESt-Abzugsverpflichtung vom übertragenden Rechtsträger erfüllt ...