Prof. Dr. Gerrit Frotscher
2.1 Verschmelzung von Körperschaften
Rz. 9
Die Verschmelzung ist in den §§ 2—122 UmwG geregelt. Unter einer Verschmelzung ist die Übertragung des ganzen Vermögens eines oder mehrerer Rechtsträger auf einen anderen Rechtsträger zu verstehen, wobei der übertragende Rechtsträger erlischt. Es ist nur der Übergang des Vermögens auf einen einzigen Rechtsträger möglich; beim Übergang auf mehrere Rechtsträger handelt es sich um eine Spaltung.
Grundlage für die Verschmelzung ist die Verschmelzungsbilanz auf den Verschmelzungsstichtag (vgl. 17 Abs. 2 UmwG). Der Verschmelzungsstichtag ist mit dem steuerlichen Übertragungsstichtag identisch (vgl. § 2 Rz. 2). Auf die (handelsrechtliche) Verschmelzungsbilanz sind die Vorschriften über die Jahresbilanz entsprechend anzuwenden. Es gelten also die §§ 238ff. HGB, daher werden die Buchwerte fortgeführt (zum Wertansatz in der steuerlichen Verschmelzungsbilanz vgl. Rz. 20ff.).
Da der übertragende Rechtsträger erst mit der Eintragung in das Handelsregister erlischt, nicht bereits zum Verschmelzungsstichtag, hat er bis zum Erlöschen auf das Ende jedes Geschäftsjahres handelsrechtlich eine Gewinnermittlungsbilanz aufzustellen.
Rz. 10
Der Übergang des Vermögens erfolgt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, nicht der Einzelrechtsnachfolge. Bei der Gesamtrechtsnachfolge geht das Vermögen in einem einzigen Akt auf den Übernehmer über. Bei Grundstücken bedarf es keiner Eintragung in das Grundbuch; das Grundbuch wird unrichtig und muss berichtigt werden. Zeitpunkt des Vermögensübergangs ist nach § 20 UmwG der Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister. Folge der Gesamtrechtsnachfolge ist, dass einzelne Vermögensgegenstände nicht vom Vermögensübergang ausgenommen werden können. Es ist also nicht möglich, einzelne Vermögensgegenstände im Zuge des Verschmelzungsvorgangs auf einzelne Gesellschafter, z. B. zur Abfindung, zu übertragen. Dagegen ist die Übertragung einzelner Vermögensgegenstände vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung durch den übertragenden Rechtsträger oder nach Wirksamwerden der Verschmelzung durch den übernehmenden Rechtsträger möglich; in beiden Fällen liegt dann aber eine (gewinnrealisierende) Einzelübertragung vor.
Rz. 11
Die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers erhalten an Stelle der untergehenden Anteile an dem übertragenden Rechtsträger Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger. Sie tauschen also Anteile an der übertragenden Körperschaft gegen solche der übernehmenden Körperschaft.
Rz. 12
Handelsrechtlich können grundsätzlich alle in § 3 UmwG genannten Rechtsträger als übertragende oder übernehmende Rechtsträger an der Verschmelzung beteiligt sein, insbesondere also auch Personengesellschaften. Dabei sind auch „rechtsformübergreifende” Verschmelzungen möglich, also zwischen Rechtsträgern verschiedener Struktur (Personengesellschaft auf Körperschaft und umgekehrt). Steuerrechtlich werden unter dem Begriff der Verschmelzung, und damit unter dem Geltungsbereich des § 11 UmwStG, jedoch nur Vermögensübertragungen von einer Körperschaft auf eine Körperschaft erfasst. Die unterschiedliche Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften verbietet einheitliche Regelungen. Die Verschmelzung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft richtet sich stattdessen nach den §§ 3ff., die Verschmelzung einer Personengesellschaft auf eine Körperschaft nach § 20, die Verschmelzung einer Personengesellschaft auf eine Personengesellschaft nach § 24. Im Folgenden wird daher nur die Verschmelzung von Körperschaften behandelt (zur Übersicht über die handelsrechtlichen Möglichkeiten der Verschmelzung und ihre steuerrechtliche Behandlung vgl. § 1 Rz. 18).
Rz. 13
§ 2 UmwG unterscheidet die Verschmelzung durch Aufnahme von der Verschmelzung durch Neugründung. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme geht das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auf einen schon vor dem Verschmelzungsvorgang bestehenden Rechtsträger über. Bei der Verschmelzung durch Neugründung wird dagegen der übernehmende Rechtsträger im Zuge des Verschmelzungsvorgangs neu gegründet.
Grundlage der Verschmelzung durch Aufnahme ist der zwischen übertragendem und übernehmendem Rechtsträger geschlossene Verschmelzungsvertrag (§ 4 UmwG). Wesentlich sind hierbei insbesondere das Umtauschverhältnis der Anteile und gegebenenfalls die Vereinbarung einer baren Zuzahlung von maximal 10% des Gesamtnennbetrags der gewährten Anteile („Spitzenausgleich”; im Übrigen zum Inhalt des Verschmelzungsvertrages vgl. § 5 UmwG). Im Zuge der Verschmelzung ausscheidenden Anteilsinhabern ist ein Abfindungsangebot zu unterbreiten (§ 29 UmwG). Der Verschmelzungsvertrag bedarf der notariellen Beurkundung. Die Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger müssen dem Verschmelzungsvertrag durch Verschmelzungsbeschluss mit jeweils drei Vierteln der abgegebenen Stimmen zustimmen.
Die Verschmelzung durch Neugründung folgt grundsätzlich den gleichen Regeln. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass durch den Verschmelzungsvorgang ein Rechtsträger neu entsteht; der Verschmelz...