Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 1
Ein Anteilseigner, der im Zuge einer Umwandlung gegen Empfang einer Abfindung ausscheidet, kann infolge der Aufdeckung von stillen Reserven einen Veräußerungsgewinn erzielen. Ein solcher Veräußerungsgewinn entsteht, wenn der Anteilseigner seine Anteile in einem Betriebsvermögen hält oder die Anteile eine wesentliche Beteiligung i.S. von § 17 EStG oder einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 Abs. 1 UmwStG darstellen oder wenn er die Anteile im Rahmen eines Spekulationsgeschäfts i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG innerhalb von sechs Monaten angeschafft und veräußert hat.
Rz. 2
Will ein Anteilseigner einen solchen Veräußerungsgewinn nicht sofort versteuern, sondern nach § 6b EStG auf bestimmte Reinvestitionen übertragen und damit den Steuer-Stundungseffekt nach dieser Vorschrift in Anspruch nehmen, so müssen die veräußerten Anteile nicht nur zu einem Betriebsvermögen gehört haben, wie es § 6b EStG voraussetzt. Darüber hinaus wäre nach § 6b Abs. 2 Nr. 2 EStG auch erforderlich, daß er die Anteile bereits zuvor sechs Jahre im Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte gehalten hat. Von diesem zweiten Erfordernis befreit § 17 UmwStG einen abgefundenen Gesellschafter, um Umwandlungen und Abfindungen ausscheidender Gesellschafter zu erleichtern. Nach dieser Vorschrift ist im Falle eines abgefundenen Gesellschafters § 6b EStG mit der Maßgabe anwendbar, daß die Anteile zwar im Zeitpunkt der Veräußerung Betriebsvermögen i.S. von § 4 Abs. 1 und § 5 EStG sein müssen; jedoch wird auf das Erfordernis einer sechsjährigen Vorbesitzzeit verzichtet . Abgesehen von dem Verzicht auf eine sechsjährige Besitzzeit richtet sich jedoch die Übertragung stiller Reserven, die durch die Abfindung eines Anteilseigners aufgedeckt worden sind, auf bestimmte Ersatzwirtschaftsgüter vollen Umfangs nach § 6b EStG.
Rz. 3
Die Regelung des § 17 UmwStG ist nicht neu. Der Verzicht auf eine Vorbesitzzeit war bereits in § 17 UmwStG 1977 enthalten.
Rz. 4
Auf welche "Anteilseigner" § 17 UmwStG anwendbar ist, läßt sich der Vorschrift nicht entnehmen. § 1 Abs. 1 UmwStG erklärt die Vorschrift für anwendbar auf Umwandlungen von Kapitalgesellschaften, eingetragenen Genossenschaften, eingetragenen Vereinen, wirtschaftlichen Vereinen, genossenschaftlichen Prüfungsverbänden, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Offen bleibt, ob es sich um Anteile an einem übertragenden Rechtsträger handeln muß, oder ob es auch Anteile an einem übernehmenden Rechtsträger wie einer Personenhandelsgesellschaft sein können. In § 6b EStG sind als steuerbegünstigte Veräußerungsobjekte Anteile an Kapitalgesellschaften aufgeführt. Die Rechtsprechung hat § 6b EStG aber auch auf Anteile an Personengesellschaften angewendet (vgl. Rz. 10). Nach der amtlichen Begründung zu § 17 UmwStG (BR-Drs. 132/94) hat der Gesetzgeber bei dem Begriff "Anteilseigner" an Gesellschafter gedacht, die bei ihrem Ausscheiden aus einer Kapitalgesellschaft abgefunden werden. Im Ergebnis ist demnach § 17 UmwStG auf Anteilseigner anwendbar, die an einer übertragenden Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen sind, außerdem auch auf Anteile an übernehmenden Personengesellschaften, nicht aber auf Beteiligungen an den anderen oben genannten Körperschaften, da derartige Anteile nicht in § 6b Abs. 1 EStG aufgeführt sind.
Rz. 5
§ 17 UmwStG gilt nach § 1 Abs. 1 bis 4 UmwStG für alle Formen der Umwandlung von Kapitalgesellschaften, nämlich für
- die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder auf eine andere Kapitalgesellschaft,
- den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft,
- die Auf- und Abspaltung von einer Kapitalgesellschaft auf eine andere Kapitalgesellschaft und
- die Auf- und Abspaltung von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft.
Im einzelnen wird zu den in Betracht kommenden Formen der Umwandlung auf § 1 Rz. 6ff. verwiesen.
Rz. 6
Es spielt keine Rolle, ob der abgefundene Gesellschafter unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist. Es kommt nach § 6b Abs. 4 EStG nur darauf an, daß die hingegebenen Anteile und die Ersatzwirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören.
Rz. 7
Der Inhaber von Anteilen an der übertragenden Kapitalgesellschaft kann nicht nur gegen Empfang einer Abfindung nach §§ 29ff. UmwG im Zuge der Umwandlung ausscheiden. Er kann auch an dem übernehmenden Rechtsträger mit einem Anteil beteiligt bleiben, der geringwertiger ist als die untergegangenen Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft, und zum Ausgleich bare Zuzahlungen aufgrund von § 5 Abs. 1 Nr. 3 und § 15 UmwG erhalten. Auch derartige bare Zuzahlungen unterliegen dem § 17 UmwStG, denn die Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut auch für eine teilweise Abfindung eines Anteilseigners.