Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 8
Ein Anteilsinhaber einer zu verschmelzenden Kapitalgesellschaft kann nach § 29 UmwG einem Verschmelzungsbeschluß widersprechen. Ggf. hat der übernehmende Rechtsträger ihm den Erwerb seiner Anteile gegen eine angemessene Barabfindung anzubieten. Der Widersprechende kann das Angebot nach § 31 UmwG nur binnen zwei Monaten nach dem Tag annehmen, an dem die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers als bekannt gemacht gilt. Nimmt er das Angebot an, so scheidet er aus dem übernehmenden Rechtsträger aus.
Rz. 9
Der Zeitpunkt des Ausscheidens des abgefundenen Gesellschafters wird nicht auf den steuerlichen Übertragungsstichtag zurückbezogen. § 2 UmwStG gilt hierfür nicht (vgl. § 2 Rz. 2ff.; Widmann/Mayer, § 17 UmwStG 1977 Rdn. 6348). Für einen ausscheidenden Gesellschafter vollzieht sich die Umwandlung handels- und steuerrechtlich erst mit dem handelsrechtlichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Umwandlung, nämlich mit ihrer Eintragung in das Handelsregister.
Rz. 10
Umstritten ist, ob Gegenstand der Veräußerung gegen eine Abfindung die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft sind oder die Anteile an der übernehmenden Personengesellschaft, die mit der Umwandlung an die Stelle der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG treten. Die Beantwortung dieser Frage ist für die Anwendbarkeit von § 17 UmwStG nicht von Bedeutung. Es ist von der Rechtsprechung anerkannt, daß die Steuervergünstigung nach § 6b EStG auch für Gewinne aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils in Anspruch genommen werden kann. Einer solchen Veräußerung wird das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft gegen Auskehrung seines Abfindungsguthabens gleichgestellt. Der Gesetzgeber dürfte bei § 17 UmwStG davon ausgegangen sein, daß dabei Anteilseigner aus einer Kapitalgesellschaft bei deren Umwandlung gegen eine Abfindung ausscheiden.
Rz. 11
Gegenstand der Veräußerung ist ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft sicherlich im Falle seiner Übertragung vor dem Wirksamwerden der Umwandlung mit ihrer Eintragung in das Handelsregister. Eine solche Veräußerung ist aber keine solche im Rahmen einer Umwandlung und daher nicht nach § 17 UmwStG begünstigt (Widmann/Mayer, § 17 UmwStG 1977 Rdn. 6350).
Rz. 12
Eine Anteilsveräußerung ist als Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft nach § 17 UmwStG i. V. m. § 6b EStG begünstigt, die auf den Zeitpunkt der Umwandlung, d. h. deren Eintragung in das Handelsregister, vereinbart worden ist. Dies ist der Zeitpunkt, mit dem infolge Erlöschens des übertragenden Rechtsträgers nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft untergehen, wenn sie nicht in diesem Zeitpunkt auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen werden, um mit ihrer Verwandlung in Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger den verbleibenden Gesellschaftern der Personengesellschaft anzuwachsen.
Rz. 13
Entsprechendes muß auch ohne eine ausdrückliche Vereinbarung des Übertragungszeitpunktes auf den Tag des Wirksamwerdens der Umwandlung gelten. Denn der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters entsteht mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister, auch wenn der ausscheidende Gesellschafter das Abfindungsangebot innerhalb der Frist von zwei Monaten nach der Eintragung in das Handelsregister nach § 31 UmwG annimmt oder wenn die Höhe der angemessenen Abfindung erst nachträglich durch Gerichtsbeschluß nach § 34 UmwG bestimmt wird (vgl. Widmann/Mayer, § 17 UmwStG 1977, Rdn. 6348).
Rz. 14
Den in den Fällen der Verschmelzung anwendbaren §§ 29ff. UmwG entsprechen die §§ 207ff. UmwG für die Fälle, in denen ein Anteilseigner einem Formwechsel nach §§ 190ff. UmwG widerspricht. Was Gegenstand der Anteilsübertragung gegen Abfindung ist, läßt sich hier eindeutig aus § 207 Abs. 1 UmwG entnehmen: Danach hat der formwechselnde Rechtsträger einem widersprechenden Anteilseigner den Erwerb seiner umgewandelten Anteile gegen eine angemessene Barabfindung anzubieten.
Rz. 15
Lehnt der Widersprechende das Angebot des Erwerbs seiner Anteile gegen eine angemessene Barabfindung ab, so bleibt er Gesellschafter auch des übernehmenden Rechtsträgers. Ist dieser eine Personengesellschaft, so ist für den Gesellschafter ein Übernahmegewinn oder -verlust nach §§ 4ff. UmwStG zu ermitteln, sofern die untergegangenen Anteile an dem übertragenden Rechtsträger zu einem Betriebsvermögen gehört haben. Bei Anteilen im Privatvermögen kommt eine Besteuerung nach Maßgabe von § 7 UmwStG in Betracht (vgl. § 7 Rz. 1ff.).