Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 62
Steuerbegünstigt ist schließlich nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG auch die Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft, vorausgesetzt, daß die aufnehmende Kapitalgesellschaft aufgrund ihrer Beteiligung einschließlich der übernommenen Anteile nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft hat, deren Anteile eingebracht werden.
Rz. 63
Zweck der Beschränkung der Steuervergünstigung auf mehrheitsvermittelnde Anteile ist es, die Bildung einer unternehmerischen Mehrheitsbeteiligung zu fördern. Jedoch soll nicht die Schaffung einer lediglich als Kapitalanlage gedachten Minderheitsbeteiligung steuerlich unterstützt werden. Warum nur eine unmittelbare Mehrheitsbeteiligung, nicht aber auch eine mittelbare gefördert werden soll, ist nicht erkennbar.
Rz. 63a
Der Anteilstausch nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG bietet die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden indirekten Fusion von Kapitalgesellschaften, die in § 23 Abs. 4 UmwStG geregelt ist, während die eigentliche Fusion von Kapitalgesellschaften mit Sitz in verschiedenen EG-Mitgliedstaaten mangels einer privat-rechtlichen Rechtsgrundlage derzeit nicht möglich ist. Außerdem kann eine Kapitalgesellschaft eine andere als Tochtergesellschaft übernehmen, indem sie die einbringenden Aktionäre der anderen Gesellschaft mit neuen Anteilen ihrer Gesellschaft abfindet. Außerdem läßt sich eine Beteiligung an einer Tochtergesellschaft aufstocken, indem Minderheitsgesellschaftern der steuerneutrale Tausch ihrer Beteiligung gegen eine Beteiligung an der Obergesellschaft angeboten wird. Der Anteilstausch läßt sich als Mittel zur Umstrukturierung eines Konzerns benutzen: Eine Muttergesellschaft kann eine von ihr gehaltene Beteiligung in eine Tochter- oder Enkelgesellschaft einbringen, um auf diese Weise die Beteiligungskette zu verlängern. Ein Anteilstausch ist jedoch kein Mittel, um einen Konzernaufbau zu straffen. Kooperationswillige Kapitalgesellschaften können sich eine gemeinsame Holding schaffen, indem sie ihre Gesellschafter veranlassen, ihre Anteile gegen Gewährung von Anteilen an dieser Holding einzubringen.
Rz. 64
Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG kommt es nur darauf an, daß die aufnehmende Kapitalgesellschaft nach der Einbringung die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft hat, deren Anteile eingebracht worden sind. Maßgeblich ist also nur das Einbringungsergebnis für die Frage, wieviele Anteile eingebracht werden müssen, um in den Genuß der Steuervergünstigungen nach § 20 UmwStG zu gelangen. Die Mehrheit kann erst durch die Einbringung entstehen. Es kann aber auch eine zum Umwandlungsstichtag bereits bestehende Mehrheitsbeteiligung weiter aufgestockt werden. Es genügt demnach die Einbringung einer Aktie, wenn die aufnehmende Kapitalgesellschaft bereits eine Mehrheitsbeteiligung besitzt.
Rz. 65
Keine Mehrheit der Stimmrechte können Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vermitteln, ebenso nicht eigene Aktien der aufnehmenden Kapitalgesellschaft, da für diese das Stimmrecht ruht.
Rz. 66
Die Merkmale der mehrheitsvermittelnden Beteiligung müssen im Zeitpunkt des Beschlusses über die Spaltung oder im Zeitpunkt des Abschlusses des Einbringungsvertrages gegeben sein.
Rz. 67
Die mehrheitsvermittelnden Anteile können auch von mehreren Personen eingebracht werden, selbst wenn die Beteiligung einer beteiligten Person keine mehrheitsvermittelnde ist. Es kommt nur darauf an, daß alle Beteiligungen zusammen mehrheitsvermittelnde sind und aufgrund eines einheitlichen Gründungs- oder Kapitalerhöhungsvorgangs eingebracht werden. Der steuerliche Übertragungsstichtag i.S. von § 20 Abs. 8 UmwStG (vgl. Rz. 178ff.) muß derselbe sein. Es genügt nicht, daß die einzelnen Beteiligungen kurze Zeit hintereinander eingebracht werden.
Rz. 68
Beispiel:
Die X GmbH hält bereits 40% der Stammanteile an der Y GmbH. Nunmehr bringen A und B gleichzeitig je 7% der Anteile an der Y GmbH in die X GmbH im Wege einer einheitlichen Sachkapitalerhöhung gegen Gewährung von neuen Gesellschaftsanteilen an der X GmbH ein. Die Voraussetzungen einer mehrheitsvermittelnden Einlage i.S. von § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG sind damit erfüllt.
Rz. 69
Nur die aufnehmende Kapitalgesellschaft muß nach § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG unbeschränkt steuerpflichtig sein. Die eingebrachten Anteile können auch solche an einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft sein. Dieser Fall ist für EU-Kapitalgesellschaften in § 23 Abs. 4 UmwStG geregelt (vgl. § 23 Rz. 49ff.).
Rz. 70
Die eingebrachten Anteile können aus dem Betriebsvermögen des Einbringenden stammen, aber auch als wesentliche Beteiligung i.S. von § 17 EStG aus seinem Privatvermögen. Für eine wesentliche Beteiligung nach § 17 EStG ergibt sich dies aus der Verweisung von § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG auf § 17 Abs. 3 EStG. Die Einbringung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung zu einem über den Anschaffungskosten liegenden Wert führt zu einem nach § 17 EStG steuerpflichtige...