Rz. 113

Natürliche Personen, die Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußern, können nach § 6b Abs. 10 EStG i. d. F. des Gesetzes vom 23.7.2002[1] Veräußerungsgewinne bis zu einem Betrag von 500.000 EUR auf die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder in den zwei folgenden Wirtschaftsjahren angeschafften Anteile an Kapitalgesellschaften oder angeschafften oder hergestellten beweglichen Wirtschaftsgüter oder auf die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder in den folgenden vier Wirtschaftsjahren angeschafften oder hergestellten Gebäude nach Maßgabe der Sätze 2 bis 11 übertragen. Diese Möglichkeit der Übertragung stiller Reserven ist durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20.12.2001[2] wieder eingeführt worden, nachdem sie durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 abgeschafft worden war. Durch § 6b Abs. 10 EStG n. F. soll für Steuerpflichtige ein Ausgleich geschaffen werden, die nicht die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen nach § 8b Abs. 2 KStG in Anspruch nehmen können.

 

Rz. 113a

Gewinne aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile sind nach § 6b Abs. 10 Satz 11 EStG jedoch nur dann steuerbegünstigt, wenn sie nach Ablauf der siebenjährigen Sperrfrist des § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG veräußert werden. Die Möglichkeit der Übertragung stiller Reserven soll nur bei dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Anteilen gegeben sein. Anderenfalls könnte die volle Besteuerung bei Veräußerungen innerhalb der siebenjährigen Behaltefrist unterlaufen werden.

 

Rz. 114

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 6b EStG ist nach § 6b Abs. 4 Nr. 1 und 2 EStG, dass der Steuerpflichtige seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt und die veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben. Einbringungsgeborene Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind nicht schon deshalb Betriebsvermögen i. S. von § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG, weil der Gewinn aus ihrer Veräußerung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG steuerpflichtig ist und zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört. Die Fiktion, dass der Veräußerungsgewinn als ein solcher i. S. von § 16 EStG gilt, hat nur den Sinn, den Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an den Steuervergünstigungen nach § 34 Abs. 1 und § 16 Abs. 4 EStG teilnehmen zu lassen. Ob einbringungsgeborene Anteile entsprechend der Tatbestandsvoraussetzung nach § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG zu einem Betriebsvermögen gehören, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen zur Unterscheidung zwischen Privat- und Betriebsvermögen[3].

 

Rz. 115

Damit ist eine Teilneutralisierung des Veräußerungsgewinns i. S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG nicht nach § 6b EStG möglich, soweit einbringungsgeborene Anteile im Privatvermögen gehalten werden. Eine Anwendbarkeit des § 6b EStG scheidet außerdem mangels einer Veräußerung aus, wenn der Gewinn aufgrund eines der Tatbestände des § 21 Abs. 2 UmwStG realisiert worden ist[4].

 

Rz. 116

Wenn die einbringungsgeborenen Anteile zum Betriebsvermögen gehören und auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 6b EStG erfüllt sind, muss der Steuerpflichtige wählen, ob er eine teilweise Übertragung der stillen Reserven auf ein ­Ersatzwirtschaftsgut oder die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG in Anspruch nehmen will. Die Tarifermäßigung scheidet aus, wenn der Steuerpflichtige auf die ­außerordentlichen Einkünfte ganz oder teilweise § 6b EStG anwendet (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 4 EStG). Soweit der Freibetrag nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG i. V. m. § 16 Abs. 4 EStG zum Zuge kommt, ist eine Übertragung der stillen Reserven nach § 6b EStG nur hinsichtlich des übersteigenden Veräußerungsgewinns möglich.

[1] BGBl I 2002, 2715.
[2] BGBl I 2001, 3858.
[4] So ausdrücklich für Gewinne aus der Auflösung und Abwicklung einer Kapitalgesellschaft BFH v. 6.12.1972, I R 182/70, BStBl II 1973, 291.

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