Dr. Hans Joachim Herrmann
1 Allgemeines
1.1 Inhalt des § 21 UmwStG
Rz. 1
§ 21 UmwStG regelt die Besteuerung von stillen Reserven in Gesellschaftsanteilen an einer Kapitalgesellschaft, „die der Veräußerer oder bei unentgeltlichem Erwerb der Anteile der Rechtsvorgänger durch eine Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 bis 4) unter dem Teilwert erworben hat (einbringungsgeborene Anteile)”. Hat die aufnehmende Kapitalgesellschaft von ihrem Wahlrecht nach § 20 Abs. 2 UmwStG Gebrauch gemacht, das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Buchwert oder einem unter dem Teilwert liegenden Zwischenwert anzusetzen, und sind bei dem Einbringenden an die Stelle des eingebrachten Betriebsvermögens die von ihm empfangenen Anteile an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft getreten, so beendet der Einbringende sein nach der Einlage vorerst in geänderter Rechtsform fortgeführtes unternehmerisches Engagement und damit die zeitlich unbegrenzte Verstrickung der einbringungsgeborenen Anteile durch die Veräußerung der empfangenen Gesellschaftsanteile. Nunmehr hat er den dabei erzielten Veräußerungsgewinn nach § 21 Abs. 1 UmwStG i. V. m. § 16 EStG wie einen Gewinn aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebs zu versteuern. Er gelangt durch die Fiktion, dass der Veräußerungsgewinn als ein solcher i. S. von § 16 EStG gilt, in den Genuss des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG), in den Genuss der Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 1 und 3 EStG aber nur dann, wenn das Halbeinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG infolge der siebenjährigen Behaltefrist nicht eingreift.
Rz. 2
Eine vorzeitige Versteuerung der in den einbringungsgeborenen Anteilen enthaltenen stillen Reserven kann der Gesellschafter nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG beantragen. Außerdem sind die stillen Reserven schon vor einer Veräußerung der Gesellschaftsanteile zu versteuern, wenn eine Steuerentstrickung aus den in § 21 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 UmwStG genannten Gründen eintritt.
Rz. 3
Die Versteuerung eines Gewinns aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile nach § 21 UmwStG scheidet hingegen aus, wenn überhaupt keine stillen Reserven von dem eingelegten Betriebsvermögen auf die einbringungsgeborenen Anteile übergegangen sind, weil die aufnehmende Kapitalgesellschaft in Ausübung ihres Wahlrechts nach § 20 Abs. 2 UmwStG das eingebrachte Betriebsvermögen — unter Aufdeckung sämtlicher stillen Reserven — mit dem Teilwert angesetzt hat, der nach § 20 Abs. 4 UmwStG für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile gilt. In diesem Fall entstehen überhaupt keine einbringungsgeborenen Anteile, wie nunmehr § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG klarstellt. Es kommt nur eine Steuerpflicht des Gewinns aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile unter den Voraussetzungen von § 17 EStG in Betracht.
1.2 Rechtfertigung der Vorschrift
Rz. 4
Ebenso wie § 20 UmwStG beruht auch § 21 UmwStG auf der Vorstellung, dass der Einbringende sein mit dem Betrieb eines Einzelunternehmens oder mit einem Mitunternehmeranteil eingegangenes unternehmerisches Engagement mit seiner Beteiligung an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft unter Änderung der Rechtsform fortsetzt. Die infolge der Wahl der Buchwertfortführung nicht aufgedeckten stillen Reserven bestehen nunmehr verdoppelt sowohl bei der den Betrieb übernehmenden Kapitalgesellschaft als auch bei dem einbringenden Gesellschafter fort. Der Gesellschafter soll sich einer Versteuerung der bei ihm entstandenen stillen Reserven nicht als Steuersubjekt durch eine Änderung der Rechtsform seines unternehmerischen Engagements entziehen können.
Rz. 5
Die Verdoppelung der stillen Reserven haben Knobbe-Keuk (zuletzt DB 1991, 298, 302) und Luckey (DB 1981, 389) kritisiert. Sie lässt sich nach ihrer Auffassung nur dadurch erklären, dass damit jeder Einbringungsfall wie eine potenzielle Steuerumgehung (vgl. § 42 AO 1977) behandelt wird: Die bei einer Betriebsveräußerung nach § 16 EStG anfallende Einkommensbesteuerung soll nicht durch eine steuerneutrale Einbringung des Betriebs in eine Kapitalgesellschaft und eine anschließende Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft umgangen werden können.
Rz. 6
Eine solche Rechtfertigung des § 21 UmwStG, einen Missbrauch zu verhindern, wird dem Zusammenhang dieser Vorschrift mit § 20 UmwStG kaum gerecht. Die Besteuerung der in den Gesellschaftsanteilen enthaltenen stillen Reserven muss als eine Konsequenz der Wahl nach § 20 UmwStG anlässlich der Einbringung beurteilt werden, die Buchwerte bei der Kapitalgesellschaft fortzuführen. Nachdem der Einbringende für sich den Steuervorteil in Anspruch genommen hatte, eine Aufdeckung der stillen Reserven seines Betriebs hinauszuschieben, muss dieser Steueraufschub spätestens dann enden, wenn er sein unternehmerisches Engagement mit der Veräußerung der erworbenen Gesellschaftsantei...