Dr. Hans Joachim Herrmann
3.1 Allgemeines
Rz. 14
Die Steuerneutralität einer grenzüberschreitenden Einbringung von Anteilen an einer EU-Kapitalgesellschaft in eine andere EU-Kapitalgesellschaft nach § 23 Abs. 4 UmwStG durch Buchwertfortführung (vgl. § 23 Rz. 49ff.) entfällt nach § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG rückwirkend, wenn die übernehmende EU-Kapitalgesellschaft die erhaltenen Anteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach der Einbringung veräußert, es sei denn, die erhaltenen Anteile sind nachweislich Gegenstand einer weiteren Sacheinlage zu Buchwerten nach einer dem § 23 Abs. 4 UmwStG entsprechenden Vorschrift eines anderen EU-Mitgliedstaats. Diese Vorschrift steht im Gegensatz zu der innerstaatlichen Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft nach § 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG (vgl. § 20 Rz. 62ff.), für die keine entsprechende Behaltensfrist vorgesehen ist.
3.2 Gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage von § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG
Rz. 15
§ 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG beruht auf der Anti-Mißbrauchsvorschrift des Art. 11 der Fusionsrichtlinie vom 23. 7. 1990. Danach können Steuervergünstigungen der Fusionsrichtlinie dann versagt oder rückgängig gemacht werden, wenn die Umstrukturierung nicht auf "vernünftigen wirtschaftlichen Gründen" beruht, sondern ihren hauptsächlichen Beweggrund in der Steuerhinterziehung oder -umgehung hat. Ohne eine Mißbrauchsvorschrift könnte etwa eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft die stillen Reserven einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft steuerfrei aufdecken, indem sie diese in eine ausländische EU-Kapitalgesellschaft einlegt, diese sie veräußert und den Gewinn hieraus steuerfrei nach § 8b Abs. 2 KStG an die Einbringende ausschüttet, so daß die von der Inländerin beim Anteilstausch empfangene Beteiligung entsprechend an Wert verliert.
Rz. 16
Der deutsche Gesetzgeber hat in Ausführung von Art. 11 der Fusionsrichtlinie eine typisierende Behaltensfrist für die übernehmende Kapitalgesellschaft von sieben Jahren gewählt. Der Gesetzgeber unterstellt ein Streben nach Steuerersparnis als Hauptbeweggrund für den grenzüberschreitenden Anteilstausch, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft die eingelegten Anteile innerhalb von sieben Jahren nach der Einlage veräußert. Eine Ausnahme hiervon macht der Gesetzgeber nur dann, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft die erhaltenen Anteile innerhalb der siebenjährigen Behaltensfrist als Sacheinlage zu Buchwerten aufgrund von Rechtsvorschriften eines anderen EU-Mitgliedstaates einlegt, die dem § 23 Abs. 4 UmwStG entsprechen. Nicht unter § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG fällt außerdem eine Veräußerung durch den Einbringenden der im Gegenzug für den Anteilstausch empfangenen Anteile. Eine solche Veräußerung hat keinen Einfluß auf die voraufgegangene steuerneutrale Einbringung. Gewinne hieraus können allerdings nach § 21 UmwStG steuerpflichtig sein.
Rz. 17
Mit der Schaffung einer typisierenden Behaltensfrist von sieben Jahren ist der deutsche Gesetzgeber über Art. 11 der Fusionsrichtlinie hinausgegan
gen, der nur bei Fehlen vernünftiger wirtschaftlicher Gründe eine Steuerersparnis als Hauptmotiv der Umstrukturierung ansieht. Zwar ist dem deutschen Gesetzgeber zuzugestehen, daß die Verwaltung in Beweisschwierigkeiten vor allem dann geraten kann, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft eine beschränkt steuerpflichtige in einem anderen Mitgliedstaat der EU ist. Dieses Problem hätte sich jedoch mit einer Umkehr der Darlegungs- und Feststellungslast lösen lassen. Mit der jetzigen Fassung des § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG setzt sich der Gesetzgeber dem Einwand einer nicht richtlinienkonformen Umsetzung in das deutsche Recht aus, weil er die Darlegung vernünftiger wirtschaftlicher Gründe für eine Veräußerung innerhalb der siebenjährigen Behaltensfrist abschneidet.
3.3 Schwierigkeiten bei der Auslegung von § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG
Rz. 18
Unabhängig von der Frage seiner Konformität mit dem Gemeinschaftsrecht bietet § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG auch zahlreiche Probleme bei seiner Auslegung und Anwendung.
Rz. 19
§ 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG gibt keine Klarheit in der Frage, ob auch eine teilweise Veräußerung der eingelegten Anteile innerhalb der siebenjährigen Behaltensfrist zu einem entsprechenden teilweisen Verlust der Steuerneutralität der Einlage führt. Dies anzunehmen erscheint konsequent, da der Einbringende sich auch darauf beschränken kann, nur einen Teil seiner Anteile zu tauschen.
Rz. 20
Unklar ist weiter, ob einer Veräußerung i.S. von § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG eine Liquidation der übernehmenden Kapitalgesellschaft gleichzustellen ist. Der Wortlaut der Vorschrift bietet keine Rechtsgrundlage für eine solche Gleichbehandlung. Schließlich bleibt bei der Anwendung von § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG fraglich, ob sich im Falle einer steuerschädlichen Veräußerung der Teilwert noch sechs Jahre rückwärts feststellen läßt.
3.4 Rechtsfolge
Rz. 21
Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ist "§23 Abs. 4 UmwStG nicht anzuwenden", wenn die übernehmende Kapitalgesellsc...