Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 15
§ 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG beruht auf der Anti-Mißbrauchsvorschrift des Art. 11 der Fusionsrichtlinie vom 23. 7. 1990. Danach können Steuervergünstigungen der Fusionsrichtlinie dann versagt oder rückgängig gemacht werden, wenn die Umstrukturierung nicht auf "vernünftigen wirtschaftlichen Gründen" beruht, sondern ihren hauptsächlichen Beweggrund in der Steuerhinterziehung oder -umgehung hat. Ohne eine Mißbrauchsvorschrift könnte etwa eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft die stillen Reserven einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft steuerfrei aufdecken, indem sie diese in eine ausländische EU-Kapitalgesellschaft einlegt, diese sie veräußert und den Gewinn hieraus steuerfrei nach § 8b Abs. 2 KStG an die Einbringende ausschüttet, so daß die von der Inländerin beim Anteilstausch empfangene Beteiligung entsprechend an Wert verliert.
Rz. 16
Der deutsche Gesetzgeber hat in Ausführung von Art. 11 der Fusionsrichtlinie eine typisierende Behaltensfrist für die übernehmende Kapitalgesellschaft von sieben Jahren gewählt. Der Gesetzgeber unterstellt ein Streben nach Steuerersparnis als Hauptbeweggrund für den grenzüberschreitenden Anteilstausch, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft die eingelegten Anteile innerhalb von sieben Jahren nach der Einlage veräußert. Eine Ausnahme hiervon macht der Gesetzgeber nur dann, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft die erhaltenen Anteile innerhalb der siebenjährigen Behaltensfrist als Sacheinlage zu Buchwerten aufgrund von Rechtsvorschriften eines anderen EU-Mitgliedstaates einlegt, die dem § 23 Abs. 4 UmwStG entsprechen. Nicht unter § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG fällt außerdem eine Veräußerung durch den Einbringenden der im Gegenzug für den Anteilstausch empfangenen Anteile. Eine solche Veräußerung hat keinen Einfluß auf die voraufgegangene steuerneutrale Einbringung. Gewinne hieraus können allerdings nach § 21 UmwStG steuerpflichtig sein.
Rz. 17
Mit der Schaffung einer typisierenden Behaltensfrist von sieben Jahren ist der deutsche Gesetzgeber über Art. 11 der Fusionsrichtlinie hinausgegan
gen, der nur bei Fehlen vernünftiger wirtschaftlicher Gründe eine Steuerersparnis als Hauptmotiv der Umstrukturierung ansieht. Zwar ist dem deutschen Gesetzgeber zuzugestehen, daß die Verwaltung in Beweisschwierigkeiten vor allem dann geraten kann, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft eine beschränkt steuerpflichtige in einem anderen Mitgliedstaat der EU ist. Dieses Problem hätte sich jedoch mit einer Umkehr der Darlegungs- und Feststellungslast lösen lassen. Mit der jetzigen Fassung des § 26 Abs. 2 Satz 1 UmwStG setzt sich der Gesetzgeber dem Einwand einer nicht richtlinienkonformen Umsetzung in das deutsche Recht aus, weil er die Darlegung vernünftiger wirtschaftlicher Gründe für eine Veräußerung innerhalb der siebenjährigen Behaltensfrist abschneidet.