Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 66
Ein Übertragungsgewinn ist einem Liquidationsgewinn vergleichbar. Denn der übertragende Rechtsträger wird bei der Verschmelzung nach § 2 UmwG ohne Abwicklung aufgelöst. Ein Übertragungsgewinn entsteht, wenn die übertragende Körperschaft in ihrer steuerlichen Schlussbilanz Buchwerte nach § 3 UmwStG aufstockt oder — sofern dies infolge der Bindung der steuerlichen Schlussbilanz an die Handelsbilanz aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes unmöglich ist (vgl. Rz. 22 ff.) — statt dessen einzelne Wirtschaftsgüter vorab veräußert. Ein Übertragungsgewinn ist nicht gesondert festzustellen und unterliegt keinen Steuervergünstigungen, sondern voll der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Ein Übertragungsgewinn kann nicht durch eine Rücklage nach § 6b EStG neutralisiert werden. Eine nach dieser Vorschrift gebildete Rücklage ist in der steuerlichen Schlussbilanz gewinnerhöhend aufzulösen. Denn eine Fortführung des Betriebs der Übertragerin kommt infolge ihrer Auflösung nicht mehr in Betracht. Ein Übertragungsgewinn kann nicht mehr an die Anteilseigner ausgeschüttet werden. Nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag kommen keine Gewinnausschüttungen, sondern nur noch Entnahmen in Betracht. Die Vermögensübertragung als solche ist keine Ausschüttung der übertragenden Körperschaft. Vielmehr stellt sie nach § 2 UmwG einen tauschähnlichen Veräußerungsvorgang dar (vgl. Rz. 1). Übertragungsgewinne, die sich dadurch ergeben, dass die übertragende Körperschaft in ihrer steuerlichen Schlussbilanz eine Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit einem über dem Buchwert liegenden Wert ansetzt, sind nach Auffassung der Verwaltung nicht nach § 8b KStG steuerbefreit. Diese Auffassung ist allerdings ab 1.1.2001 überholt, da nach § 8b KStG i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 sämtliche in- und ausländischen Beteiligungserträge einer Kapitalgesellschaft steuerfrei gestellt werden. Bis dahin kann die Übertragerin die Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 2 KStG erreichen, indem sie die Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft vorab veräußert.
Rz. 67
Ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG wird der übertragenden Körperschaft auf den Übertragungsgewinn nicht gewährt. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift kann naturgemäß nur eine natürliche Person erfüllen.
Rz. 68
Ein Übertragungsverlust kann grundsätzlich nur in Ausnahmefällen in der steuerlichen Schlussbilanz entstehen. Nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften sich ergebende Verluste — wie z. B. aufgrund einer Teilwertabschreibung — finden schon in der laufenden Bilanz ihren Niederschlag. Auch wenn diese Bilanz mit der Schlussbilanz zusammenfällt, handelt es sich bei diesem Verlust nicht um einen Übertragungsverlust. Ein Übertragungsverlust kann sich durch den Wegfall eigener Anteile ergeben. Dieser Verlust ist jedoch nur ein buchmäßiger, denn er ist dem Ergebnis der Übertragerin außerbilanziell wieder hinzuzurechnen (vgl. Rz. 55). Als Ursachen für einen Übertragungsverlust bleiben hohe Abschreibungen, Umwandlungskosten oder die Nachholung von Pensionsrückstellungen unter den Voraussetzungen von § 6a Abs. 4 EStG. Damit ein Übertragungsverlust nicht steuerlich ungenutzt bleibt, sollte er durch Auflösung stiller Reserven oder durch eine Vorabveräußerung von Wirtschaftsgütern ausgeglichen werden (vgl. Rz. 40). Ein verbleibender Übertragungsverlust ist nach § 33 Abs. 1 KStG von dem unbelasteten Teilbetrag i.S. von § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG (EK 02) abzuziehen. Dadurch wird grundsätzlich vermieden, das steuerbelastetes vEK und damit die Körperschaftsteueranrechnung bei der Übernehmerin vermindert werden. Diese Verlustverrechnung entfällt nach der Verabschiedung des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 ab 1.1.2001.