Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 9
Eine steuerliche Übernahmebilanz ist bei der Übernehmerin grundsätzlich nicht erforderlich. Denn die Übernahme der Wirtschaftsgüter der übertragenden Kapitalgesellschaft wird bei der Übernehmerin grundsätzlich wie ein laufender Geschäftsvorfall behandelt. Allerdings ist eine Übernahmebilanz erforderlich, wenn die Übernehmerin ihren Gewinn bisher nicht im Wege des Bestandsvergleichs ermittelt hatte. Die Übernehmerin muss eine Übernahmebilanz als Eröffnungsbilanz erstellen, wenn sie zum Zwecke der Verschmelzung auf sie neu gegründet wird (vgl. § 2 Nr. 2 UmwG). Die Übernahmebilanz stellt dann die Eröffnungsbilanz i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG dar. Dementsprechend hat die Übernehmerin eine Eröffnungsbilanz im Falle eines Formwechsels nach § 14 Satz 2 UmwStG aufzustellen.
Rz. 10
Nach § 4 Abs. 1 UmwStG hat die übernehmende Personengesellschaft die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit den in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft enthaltenen Werten zu übernehmen. Demnach gilt für die Personengesellschaft zwingend der Grundsatz der Buchwertfortführung. Durch den Zwang zur Buchwertfortführung wird sichergestellt, dass die bei der übertragenden Kapitalgesellschaft gebildeten und bei der Verschmelzung nicht aufgedeckten stillen Reserven auf die Übernehmerin auch wirklich übergehen. Mangels eines steuerlichen Wahlrechts kommt das Gebot der Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 EStG nicht zum Zuge. § 3 i. V. m. § 4 Abs. 1 UmwStG siedelt das steuerliche Bewertungswahlrecht — im Gegensatz zu § 24 UmwG (vgl. Rz. 8) — bei der übertragenden Körperschaft und nicht bei der übernehmenden Personengesellschaft an.
Rz. 11
Aufgrund des Zwanges zur Buchwertfortführung deckt die Übernehmerin in den übergegangenen Wirtschaftsgütern enthaltene stille Reserven — anders als im Handelsrecht — nicht auf. Sie bleiben bei der Übernehmerin unversteuert. Diese muss lediglich die übergehenden offenen Rücklagen als Übernahmegewinn versteuern. Dadurch unterscheidet sich die Umwandlung von der Liquidation i.S. von § 17 Abs. 4 EStG, bei der ein Gesellschafter sowohl die ausgeschütteten offenen Gewinnrücklagen als die stillen Reserven zu versteuern hat.
Rz. 11a
§ 4 Abs. 1 und 2 UmwStG regeln die Umwandlung als Vorgang einer Gesamtrechtsnachfolge. Dies kommt nicht nur in der Pflicht der Personengesellschaft zur Buchwertfortführung, sondern auch in dem Eintritt der Übernehmerin in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft bezüglich der AfA usw. zum Ausdruck. Die Verneinung eines Anschaffungsgeschäfts führt dazu, dass die Übernehmerin für die übertragenen Wirtschaftsgüter keine Investitionszulage und auch keine Rücklage nach § 6b EStG in Anspruch nehmen kann. Andererseits werden beim übernehmenden Rechtsträger Vorbesitzzeiten angerechnet und Behaltefristen nicht unterbrochen.
Rz. 12
Der Grundsatz der Buchwertfortführung nach § 4 Abs. 1 UmwStG gilt unabhängig davon, wie die Übernehmerin ihr handelsbilanzrechtliches Bewertungswahlrecht nach § 24 UmwG (vgl. Rz. 8) ausgeübt hat. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 EStG ist mangels eines steuerrechtlichen Wahlrechts nicht anwendbar. Dennoch hält die Verwaltung eine handelsrechtliche Aufstockung der Buchwerte durch die Übernehmerin auch für steuerrechtlich bedeutsam: Dann müsse die Übernehmerin auch in ihrer Steuerbilanz auf den dem Übertragungszeitpunkt folgenden Bilanzstichtag die Wertansätze bis zur Höhe der steuerlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten — gegebenenfalls vermindert um AfA — erfolgswirksam aufstocken (vgl. § 3 UmwStG Rz. 26). Für eine solche von der Verwaltung verlangte Buchwertaufstockung fehlt es an der gesetzlichen Grundlage. Das Gesetz sieht eine Pflicht zur Wertaufholung lediglich nach einer Teilwertabschreibung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG vor.
Rz. 13
Einer Buchwertfortführung steht auch ein negatives Buchvermögen der übertragenden Körperschaft nicht entgegen. Allerdings blieb nach § 4 Abs. 5 Satz 1 UmwStG i. d. F. des Gesetzes zur Fortführung der Unternehmensteuerreform v. 29.10.1997 ein Übernahmeverlust insoweit außer Ansatz, als er auf einem negativen Wert des übergegangenen Vermögens beruht. Dadurch sollte eine Weitergabe von bei der Übertragerin "eingesperrten Verlusten" auf die Übernehmerin verhindert werden. Das übergehende Vermögen musste mit mindestens 0 DM angesetzt werden. Die Vorschrift ist durch das Steuersenkungsgesetz gestrichen worden.
Rz. 14
Damit ist scheinbar eine Gleichstellung mit der Liquidation erreicht. Denn bei einer Liquidation werden zwar etwaige stille Reserven realisiert. Bleibt aber dennoch ein negatives Vermögen, so ergibt sich bei den Gesellschaftern ein Verlust nach § 17 Abs. 4 EStG, den sie mit ihren Gewinneinkünften ausgleichen können, sofern nicht § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG eingreift. Hingegen bleibt ein Übernahmeverlust nach einer Umwandlung gemäß § 4 Abs. 6 UmwStG i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes außer Ansatz. Damit lässt sich eine Verwertung eines negativen Kapitals mit Hilfe ein...