Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 51
Ein Übernahmeverlust i.S. von § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG aufgrund der Umwandlung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft oder einen Einzelunternehmer wird regelmäßig dann eintreten, wenn der Erwerber mit seinem Kaufpreis dem Veräußerer auch stille Reserven in dem Wertansatz für die übergehenden Wirtschaftsgüter und einen originären Firmenwert mit den damit zu erwartenden Gewinnerwartungen vergütet hat.
Rz. 52
Erwerberfall mit stillen Reserven, aber ohne einen Sperrbetrag nach § 50c EStG nach bisherigem Recht:
Nennkapital |
1.000 |
+ |
offene Gewinnrücklagen |
600 |
= |
Buchvermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft |
1.600 |
./. |
Anschaffungskosten für die Beteiligung einschließlich einer Vergütung für stille Reserven von 1.000 und ein Körperschaftsteuerguthaben von 400 |
3.000 |
= |
Übernahmeergebnis nach § 4 Abs. 4 UmwStG |
./. 1.400 |
+ |
anzurechnende Körperschaftsteuer |
400 |
+ |
Sperrbetrag nach § 50c EStG |
0 |
= |
Übernahmeverlust in Höhe der stillen Reserven |
1.000 |
8.1 Zwang zur Aufstockung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 UmwStG i. d. F. bis 8.131.12.2000
Rz. 53
Soweit ein nach § 4 Abs. 4 UmwStG ermittelter Übernahmeverlust nach Verminderung um das Körperschaftsteuerguthaben der übertragenden Kapitalgesellschaft und einen etwaigen Sperrbetrag nach § 50c gemäß § 4 Abs. 5 UmwStG noch verbleibt, war dieser nach § 4 Abs. 6 Satz 1 UmwStG a. F. auszugleichen, indem die nach § 4 Abs. 1 UmwStG übernommenen Wertansätze der übergegangenen Wirtschaftsgüter in der Bilanz der übernehmenden Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter bzw. in der Bilanz der übernehmenden natürlichen Person bis zur Höhe des Übernahmeverlusts, höchstens aber bis zu ihrem Teilwert aufgestockt wurden. Ein darüber hinausgehender Betrag war nach § 4 Abs. 6 Satz 2 UmwStG a. F. zu aktivieren und auf 15 Jahre gleichmäßig abzuschreiben, soweit er nicht als Anschaffungskosten der übergegangenen immateriellen Wirtschaftsgüter einschließlich eines Geschäfts- oder Firmenwerts zu aktivieren war.
Rz. 54
Die Aufstockung der Wertansätze nach § 4 Abs. 6 Satz 1 UmwStG a. F. beruhte nicht auf einem Wahlrecht. Ein solches besitzt nur die übertragende Kapitalgesellschaft nach § 3 UmwStG (vgl. Rz. 8). Im Allgemeinen war es jedoch ratsam, die Aufstockung nicht schon bei der übertragenden Kapitalgesellschaft, sondern erst bei der Übernehmerin vorzunehmen, da sie bei ihr — anders als bei der Kapitalgesellschaft — nicht der Gewerbesteuer unterlag. Die Aufstockung war bei der Übernehmerin zwingend zum Ausgleich eines Übernahmeverlustes vorgeschrieben. Ein sofortiger Abzug des Übernahmeverlusts in voller Höhe war nicht zugelassen worden, weil die im übergehenden Vermögen enthaltenen stillen Reserven nicht im Zeitpunkt des Vermögensübergangs aufgedeckt und versteuert werden müssen (vgl. amtl. Begründung BR-Drs. 132/94 zu § 4 UmwStG).
Rz. 55
Die Aufstockung der Wertansätze nach § 4 Abs. 6 UmwStG war regelmäßig in den Ergänzungsbilanzen der Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft vorzunehmen. Die Aufstockung war — entgegen § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG — nicht in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz durchzuführen. Sie war die Rechtsfolge einer zwingenden steuerrechtlichen Regelung.
8.2 Nichtberücksichtigung von Übernahmeverlusten nach § 4 Abs. 6 UmwStG n. F.
Rz. 56
Nach § 4 Abs. 6 UmwStG i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes bleibt ein Übernahmeverlust seit dem 1.1.2001 außer Ansatz. Diese Regelung dient nach der Gesetzesbegründung dazu, eine Gesetzesumgehung zu verhindern und eine Einmalbesteuerung auf den Erwerber übergegangener stiller Reserven beim Erwerber sicher zu stellen: "Bringt ein Einzelunternehmer seinen Betrieb zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft ein und verkauft er anschließend seine Anteile, unterliegt der Veräußerungsgewinn bei ihm der Halbeinkünftebesteuerung. Wandelt der Erwerber den Betrieb anschließend wieder in ein Personenunternehmen um, ergibt sich regelmäßig ein Übernahmeverlust, da der Erwerber im Rahmen des Kaufpreises die stillen Reserven des Betriebs mit bezahlt hat. In Höhe des Übernahmeverlustes werden die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern des Betriebs aufgedeckt, so dass der Erwerber neues Abschreibungsvolumen hat. Veräußert der Erwerber den Betrieb, ergibt sich kein Veräußerungsgewinn, da die stillen Reserven aufgedeckt wurden. Im Ergebnis findet eine Aufdeckung der stillen Reserven statt, ohne dass eine Einmalbesteuerung eintritt. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses wird daher in den Fällen der Umwandlung ein Übernahmeverlust nicht mehr anerkannt."
Rz. 57
Ein etwaiger Übernahmeverlust ist nach § 4 Abs. 6 UmwStG n. F. außer acht zu lassen, wenn eine Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft mit einem steuerlichen Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2000 bzw. nach dem Ende des abweichenden Wirtschaftsjahres 2000/2001 der übertragenden Kapitalgesellschaft umgewandelt wird (vgl. § 27 Abs. 1 Buchst. a UmwStG). Die Änderungen des UmwStG sind daher schon ein Jahr eher als die Umstellung vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren nach § 34 Abs. 10a Satz 1 KStG anwendbar.
Rz. 58
Der vorstehenden gesetzgeberischen Rechtfertigung für die Nichtberücksicht...