Dr. Hans Joachim Herrmann
Rz. 56
Nach § 4 Abs. 6 UmwStG i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes bleibt ein Übernahmeverlust seit dem 1.1.2001 außer Ansatz. Diese Regelung dient nach der Gesetzesbegründung dazu, eine Gesetzesumgehung zu verhindern und eine Einmalbesteuerung auf den Erwerber übergegangener stiller Reserven beim Erwerber sicher zu stellen: "Bringt ein Einzelunternehmer seinen Betrieb zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft ein und verkauft er anschließend seine Anteile, unterliegt der Veräußerungsgewinn bei ihm der Halbeinkünftebesteuerung. Wandelt der Erwerber den Betrieb anschließend wieder in ein Personenunternehmen um, ergibt sich regelmäßig ein Übernahmeverlust, da der Erwerber im Rahmen des Kaufpreises die stillen Reserven des Betriebs mit bezahlt hat. In Höhe des Übernahmeverlustes werden die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern des Betriebs aufgedeckt, so dass der Erwerber neues Abschreibungsvolumen hat. Veräußert der Erwerber den Betrieb, ergibt sich kein Veräußerungsgewinn, da die stillen Reserven aufgedeckt wurden. Im Ergebnis findet eine Aufdeckung der stillen Reserven statt, ohne dass eine Einmalbesteuerung eintritt. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses wird daher in den Fällen der Umwandlung ein Übernahmeverlust nicht mehr anerkannt."
Rz. 57
Ein etwaiger Übernahmeverlust ist nach § 4 Abs. 6 UmwStG n. F. außer acht zu lassen, wenn eine Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft mit einem steuerlichen Übertragungsstichtag nach dem 31.12.2000 bzw. nach dem Ende des abweichenden Wirtschaftsjahres 2000/2001 der übertragenden Kapitalgesellschaft umgewandelt wird (vgl. § 27 Abs. 1 Buchst. a UmwStG). Die Änderungen des UmwStG sind daher schon ein Jahr eher als die Umstellung vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren nach § 34 Abs. 10a Satz 1 KStG anwendbar.
Rz. 58
Der vorstehenden gesetzgeberischen Rechtfertigung für die Nichtberücksichtigung eines Übernahmeverlusts (vgl. Rz. 56) ist die Grundlage dadurch entzogen worden, dass der Veräußerer, der seinen Betrieb in eine Kapitalgesellschaft einbringt, mit den einbringungsgeborenen Anteilen in den Genuss des Halbeinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 Satz 3 Buchst. a EStG erst nach einer Behaltefrist von sieben Jahren kommt. Die Neuregelung führt dazu, dass ein Erwerber von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft seine hierfür aufgewendeten Anschaffungskosten steuerlich nicht geltend machen kann. Eine Veräußerung von Mitunternehmeranteilen nach der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft führt zu einem wesentlich höheren Veräußerungsgewinn als eine Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft, bei der die Anschaffungskosten hälftig im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens berücksichtigt werden.
Rz. 59
Die Neuregelung des § 4 Abs. 6 UmwStG n. F. ist mit Recht dahin kritisiert worden, dass sie zu einer Anschaffungskosten für die Beteiligung vernichtenden Liquidation der Kapitalgesellschaft führt und damit gegen das objektive Nettoprinzip verstößt. Wäre anstelle der Umwandlung der Kapitalgesellschaft deren Liquidation gewählt worden, so wäre nach § 17 Abs. 4 EStG der halbe Wert des zugeteilten oder ausgeschütteten Vermögens abzüglich der gesamten hälftigen Anschaffungskosten einschließlich des auf die aufgedeckten stillen Reserven entfallenden Anteils nach § 3c Abs. 2 EStG aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG zu versteuern gewesen. Der Erwerber einer Beteiligung mit erheblichen stillen Reserven wird bei der Aushandlung des Kaufpreises für die Beteiligung die auf den übergehenden stillen Reserven ruhende latente Steuerlast kaufpreismindernd berücksichtigen, indem er vom Wert der stillen Reserven die damit verbundene Steuerlast abzieht.
Rz. 60
Systemgerecht wäre es, im Falle der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder natürliche Person Übernahmeverluste zur Hälfte nach § 3c Abs. 2 EStG zum Abzug zuzulassen, ebenso wie Übernahmegewinne bei natürlichen Personen gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 UmwStG i. V. m. § 3 Nr. 40 EStG dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen. Nur im Falle einer Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine mitunternehmerisch an einer Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft erscheint es konsequent, einen Übernahmeverlust außer Ansatz zu lassen. Denn auch ein Übernahmegewinn bleibt nach § 4 Abs. 7 Satz 1 UmwStG steuerfrei, soweit er auf eine Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin entfällt. Gleichermaßen bleiben bei einer Kapitalgesellschaft Beteiligungserträge nach § 8b Abs. 1 und 2 KStG und Beteiligungsaufwendungen nach § 3c Abs. 1 EStG unberücksichtigt.